Angebotswertung leichtgemacht: Ablauf und Tipps zu den Wertungsstufen
Sie haben ein wichtiges Zwischenziel erreicht: Die Angebotsphase ist beendet. Nun liegen die Angebote der interessierten Bieter und Bietergemeinschaften vor und es wartet eine weitere wichtige Aufgabe während des Vergabeverfahrens auf Sie: Die Angebotswertung!
Was ist die Angebotswertung?
Im Rahmen der Angebotswertung prüfen Sie die eingegangenen Angebote, um dasjenige zu ermitteln, auf das Sie den Zuschlag erteilen und damit das Vergabeverfahren beenden. Die klassische Angebotswertung wird in 4 Stufen unterteilt:
- Formale Prüfung des Angebotes
- Prüfung der Eignung des Bieters, ermittelt anhand der Eignungskriterien, und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen
- Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes
- Das wirtschaftlichste Angebot wird anhand der Zuschlagskriterien ermittelt.
Die erste Wertungsstufe: Die formale Prüfung
Zu Beginn prüfen Sie, ob die Angebote
- vollständig,
- formgerecht und
- fristgerecht eingereicht wurden und
- rechnerisch und fachlich richtig sind.
Forderten Sie etwa die elektronische Angebotsabgabe, müssen Sie all jene Angebote ausschließen, die Ihnen in Papierform zugegangen sind. Oder Sie haben Nebenangebote ausgeschlossen und dürfen daher auch kein Nebenangebot in die Wertung einbeziehen.
Stellen Sie in dieser Stufe fest, dass Angebote unvollständig oder fehlerhaft sind, können Sie unter Umständen Unterlagen nachfordern. So können Sie zum Beispiel:
- Mitarbeiterzahlen,
- Umsatzzahlen,
- fehlende Angaben eines Fabrikats in der Leistungsbeschreibung
nachfordern. Ein eingetragenes Fabrikat darf allerdings nicht nachträglich ausgetauscht werden. Die Möglichkeit der Nachforderung besteht auch nicht bei leistungsbezogenen Angaben, die als Zuschlagskriterien (etwa der Preis) bewertet werden. Dies ist nur möglich bei Preisangaben zu unwesentlichen Einzelpositionen, die keine Auswirkung auf das Wertungsergebnis haben.
Zur formalen Prüfung gehört auch die Aufklärung bei einem Bieter, der auf eigene AGBs Bezug nimmt. Hier müssen Sie zunächst aufklären, ob sich der Bieter vertan hat, bevor Sie das Angebot ausschließen (so der Bundesgerichtshof im Urteil vom 18.06.2019, AZ: X ZR 86/17)!
Die zweite Wertungsstufe: Die Eignungsprüfung
Anschließend prüfen Sie anhand der bekanntgegebenen Eignungskriterien, ob die Bieter geeignet, d.h. fachkundig und leistungsfähig, sind, und ob bei ihnen ein zwingender oder fakultativer Ausschlussgrund vorliegt. Anhand der Eignungskriterien können Sie zum Beispiel Umsätze, Mitarbeiterzahlen und Referenzen prüfen. Ausschlussgründe wären beispielsweise Kartellabsprachen oder wegen Schlechtleistung gekündigte frühere Aufträge.
Die dritte Wertungsstufe: Die Preisprüfung
Im dritten Schritt prüfen Sie die Auskömmlichkeit der Angebote: Der Preis muss im Verhältnis zur angebotenen Leistung angemessen sein. Hierzu prüfen Sie, ob es Anhaltspunkte für ein unangemessen niedriges (oder hohes) Angebot gibt.
Anhaltspunkte gibt es, wenn der Preisabstand gegenüber dem nächstplatzierten Bieter:
- bei Bauleistungen mindestens 10 % oder
- bei Dienst- und Lieferleistungen mindestens 20 %
beträgt. Wenn ja, müssen Sie beim Bieter aufklären! Stellen Sie hierbei konkrete Fragen! Wenn der Bieter Ihnen nicht oder nicht zufriedenstellend antwortet, schließen Sie sein Angebot aus!
Die vierte Wertungsstufe: Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit
Zuletzt prüfen Sie anhand der vorher bekanntgegebenen Zuschlagskriterien, welches Angebot das wirtschaftlichste Angebot ist. Sie können neben dem Preis auch andere, insbesondere qualitative Zuschlagskriterien aufstellen!
Was ist bei der Angebotswertung noch wichtig?
Es gibt innerhalb der vier Wertungsstufen keine verbindliche Prüfungsreihenfolge. Wenn nicht ausnahmsweise ein besonderer Grund besteht, sollten Sie die vier Wertungsstufen in der vorgenannten, klassischen Reihenfolge prüfen.
Wenn die Anzahl der Bieter besonders groß ist, sollten Sie zunächst anhand der Zuschlagskriterien prüfen, welche Angebote in die engere Wahl kommen, und nur bei diesen die Vollständigkeit, Eignung und Auskömmlichkeit näher prüfen.
Es gibt keine fixe Zeitvorgabe, wie lange die Angebotswertung dauern darf. Im Vergaberecht gilt aber der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch für die Dauer der Angebotswertung. Beachten Sie auch, die Angebotswertung rechtzeitig innerhalb der Bindefrist, während der die Bieter an ihr Angebot gebunden sind, abzuschließen.
Zu Dokumentationszwecken erstellen Sie einen Vergabevermerk, in dem Sie alle wesentlichen Schritte und Entscheidungen, insbesondere Ermessensentscheidungen im Rahmen einer Konzeptbewertung, aufführen. Das ist dann auch eine sehr wertvolle Unterstützung im Falle eines Nachprüfungsverfahrens.
Fazit
Die Angebotswertung gehört zu den aufwändigsten Phasen innerhalb eines Vergabeverfahrens. Daher ist es wichtig, sie so sauber und transparent wie möglich durchzuführen. Am Ende zählt aber nur eins: Derjenige Bieter, der Ihnen ein form- und fristgerechtes Angebot einreicht, geeignet ist, ein auskömmliches und das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet, erhält den Zuschlag und wird Ihr Vertragspartner!