Die Corona-Krise hat es wieder einmal gezeigt: Das Beschaffungswesen funktioniert Dank eines flexiblen Vergaberechts auch in außergewöhnlichen Zeiten. Krisen bringen auf staatlicher Seite häufig einen äußerst dringlichen und nicht vorhersehbaren Beschaffungsbedarf mit sich.
In der Flüchtlingskrise 2015/2016 waren dies flächendeckend Leistungen rund um die Erstaufnahme von Flüchtlingen. Die Corona-Krise erforderte vor allem Medizinprodukte, aber beispielsweise auch Homeoffice-Lösungen. Der „Krisenmodus“ kann in Fällen wie Hochwasser, Chemieunfall oder ähnlichem aber auch rein lokal begrenzt sein.
Doch welche Handlungsmöglichkeiten stehen den Verwaltungen hierbei konkret zur Verfügung?
Dringlichkeitsvergabe als Ausweg
Häufig führt die Krise zu einem äußerst dringlichen Bedarf an bestimmten Leistungen. Das Vergaberecht sieht hierfür ein gestuftes Vorgehen vor:
- Ist die Beschaffung noch unter Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen Fristen möglich (bei EU-weiten Verfahren 15 Tage, § 15 Abs. 3 VgV, § 10a EU VOB/A; bei nationalen Bauvergaben 10 Tage, § 10 VOB/A)?
- Falls nicht, kann eine Beschaffung aus Gründen der Dringlichkeit ohne förmliches Vergabeverfahren als Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bzw. Freihändige Vergabe durchgeführt werden (Stichwort: Dringlichkeitsvergabe). Soweit zeitlich möglich, sollten öffentliche Auftraggeber auch bei diesen Beschaffungen noch Vergleichsangebote einholen.
- Die Direktbeauftragung eines einzelnen Auftragnehmers bleibt stets das letztmögliche Mittel (die ultima ratio) für äußerste Dringlichkeit und sollte (zumindest kurz) in einem Vergabevermerk begründet werden. Häufig wird eine Direktvergabe als Interimsvergabe nur für einen begrenzten Zeitraum bzw. Lieferumfang möglich sein.
Nach Beendigung der akuten Krisensituation müssen Leistungen in jedem Fall wieder ordnungsgemäß ausgeschrieben werden.
Kennen Sie das Problem?
Erweiterung bestehender Verträge
Auch die Regelungen zur Änderung bestehender Verträge ermöglichen öffentlichen Auftraggebern, flexibel und ohne erneutes Vergabeverfahren zusätzliche Leistungen zu beziehen. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB kann das Auftragsvolumen bestehender Verträge und Rahmenvereinbarungen um bis zu 50% (ausgehend vom Preis des ursprünglichen Vertrags) erweitert werden, wenn die Änderung des Vertrags aus Umständen erforderlich wurde, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der ursprünglichen Vergabe nicht vorhersehen konnte. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Kommune bereits einen Vertragspartner für die benötigten Leistungen hat.
FAQ Dringlichkeitsvergabe
Wer darf entscheiden?
Im Krisenmodus muss häufig schnell gehandelt werden, sodass eine Beauftragung nicht bis zur nächsten Sitzung des kommunalen Gremiums aufgeschoben werden kann. Die Gemeindeordnung sieht für solche Fälle vor, dass der Bürgermeister anstelle des Gemeinderats Eilentscheidungen treffen darf (§ 43 Abs. 4 GemO).
Fazit: Kommunale Vergabe ist stets gesichert
Für Krisenzeiten bietet das Vergaberecht den Kommunen spezielle Instrumente, um erforderliche Beschaffungen schnell vorzunehmen. Die Regelungen zur Dringlichkeitsvergabe sind zurecht auf Ausnahmefälle und Krisensituationen begrenzt und sollten daher nicht überstrapaziert werden.
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