Manchmal läuft es einfach nicht wie erwartet. Es kann Ihnen passieren, dass Sie auf eine Ausschreibung kein Angebot erhalten, das Ihren Bedingungen als öffentlicher Auftraggeber entspricht oder es werden nur Angebote abgegeben, die die Kostenschätzung um ein Vielfaches übersteigen. Für Sie stellt sich nun die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausschreibung aufgehoben werden kann.
Voraussetzungen der Aufhebung der Ausschreibung
Ein Vergabeverfahren muss grundsätzlich nicht mit einem Zuschlag enden. Auch für Sie als öffentliche Auftraggeber gilt die Vertragsfreiheit; es gibt keinen Zwang, den Zuschlag zu erteilen. Vergabeverfahren können deshalb aufgehoben werden.
Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist aber nur dann erlaubt, wenn sachliche Gründe vorliegen. Sachliche Gründe ergeben sich in erster Linie aus den jeweiligen Vergaberegelungen zur Aufhebung der Ausschreibung (vgl. § 63 VgV, § 17 VOB/A-EU 2019, § 32 KonzVgV, § 57 SektVO, § 48 UVgO). Sachliche Gründe liegen etwa vor, wenn kein den Bedingungen entsprechendes Angebot eingegangen ist, sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert haben, kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde oder andere schwerwiegende Gründe vorliegen.
Daher können Sie ein Vergabeverfahren auch dann aufheben, wenn das Gewinnerangebot (wirtschaftlichstes Angebot) erheblich über dem Preis liegt, der nach Ihrer ordnungsgemäßen Schätzung des Auftragswertes ermittelt worden ist. Das setzt aber voraus, dass Ihre Kostenprognose auf einer richtigen und belastbaren Datengrundlage beruht und es sich um eine deutliche Überschreitung des geschätzten Auftragswertes handelt.
Vergessen Sie nicht: Sie müssen zum geschätzten Auftragswert einen Sicherheitszuschlag von mindestens 10 % hinzurechnen.
Die Rechtsprechung hat ein „unwirtschaftliches Ergebnis“ beispielsweise bei einer Überschreitung des geschätzten Auftragswertes um 80 %, aber auch schon bei Überschreitungen von 16 und 23 % angenommen.
Sie können aber nicht nur dann ein Vergabeverfahren aufheben, wenn ein festgeschriebener Aufhebungsgrund vorliegt. Sie können sich auch dann für eine Aufhebung entscheiden, wenn keine sachlichen Gründe vorliegen. In einem solchen Fall kann das aber einen Schadensersatzanspruch der Bieter auslösen.
Wie gehen Sie bei der Aufhebung der Ausschreibung vor?
Sie müssen zunächst den Beschluss fassen, eine Ausschreibung aufzuheben. Das setzt insbesondere eine Auseinandersetzung mit den dafür in Betracht kommenden Gründen voraus. Auch müssen Sie dokumentieren, dass Sie mildere Mittel als die Aufhebung (z.B. Preisaufklärung, Reduzierung des auszuschreibenden Leistungsumfangs, Rückversetzung des Vergabeverfahrens etc.) geprüft haben. Kommen Sie dann zu dem Ergebnis, dass nur die Aufhebung der Ausschreibung in Betracht kommt, müssen Sie vor allem Informations- und Dokumentationspflichten beachten.
Legen Sie den Bewerbern und Bietern unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) die Gründe, die zur Aufhebung der Ausschreibung geführt haben, dar und informieren Sie ggf. zudem über Ihre Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten (vgl. § 63 Abs. 2 VgV, § 17 Abs. 2 VOB/A-EU 2019, § 32 Abs. 2 KonzVgV, § 57 Satz 2 SektVO, § 46 Abs. 1 UVgO). Die Bieter und Bewerber müssen die Rechtmäßigkeit der Aufhebung nachvollziehen können.
Ausreichend ist aber eine kurze Begründung, die das Vorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen der jeweiligen Vergabevorschrift überprüfbar macht. Sie sind außerdem dazu verpflichtet, die Gründe für die Aufhebung ausreichend zu dokumentieren und dadurch eine Nachprüfung zu ermöglichen.
Ausnahmsweise Aufhebung der Aufhebung
In Ausnahmefällen kann die Aufhebung des Vergabeverfahrens wieder aufgehoben werden (sog. Aufhebung der Aufhebung). Gemeint sind damit Fälle, in denen Bieter in Oberschwellen-Vergabeverfahren (europaweite Ausschreibungen) die Aufhebung eines Vergabeverfahrens vor der Vergabekammer angreifen und die Weiterführung des Vergabeverfahrens erreichen.
Nachdem es keinen Zwang gibt, ein Vergabeverfahren zu beenden und einen Vertrag zu schließen, kommt eine Aufhebung der Aufhebung aber nur ausnahmsweise in Betracht. Angenommen wurde das von der Rechtsprechung etwa, wenn es keinen sachlichen Grund für die Aufhebung gibt und die Aufhebung nur zum Schein („Scheinaufhebung“) erfolgt, um einen bestimmten Bieter zu bevorzugen oder zu benachteiligen (vgl. VK Sachsen, 17.01.2019, 1/SVK/033/18; VK Sachsen-Anhalt, 12.09.2018, 3 VK LSA 49/18).
Fazit
Wenn es in einem Vergabeverfahren nicht so läuft, wie Sie es als öffentlicher Auftraggeber erwartet haben, besteht die Möglichkeit der Aufhebung der Ausschreibung. Sie sind nicht gezwungen, ein Vergabeverfahren mit Zuschlag zu beenden. Auf der „sicheren Seite“ sind Sie aber nur, wenn sachliche Aufhebungsgründe vorliegen und Sie das Verfahren zur Aufhebung der Ausschreibung (insbesondere Unterrichtung der Bieter und Bewerber, Einhaltung der Dokumentationspflichten) beachten.
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