Vor der Corona-Pandemie spielte Kurzarbeit im öffentlichen Dienst praktisch keine Rolle. Deshalb hält sich die (unzutreffende) Annahme, dass im öffentlichen Sektor generell keine Kurzarbeit eingeführt werden kann. Zurzeit schränkt der Lockdown allerdings nicht nur das öffentliche Leben massiv ein, vielmehr ist davon vielfach auch die Tätigkeit des öffentlichen Dienstes betroffen, etwa geschlossene bzw. nur eingeschränkt geöffnete Kitas, Schulen, Universitäten, Museen und Theater. Ebenso fährt der ÖPNV vielerorts mit geringerer Kapazität.
Zudem sind Behördenbesuche zurzeit nicht oder jedenfalls nur sehr eingeschränkt möglich. Zugleich sind die Kassen vieler Kommunen aber leer, was zwangsläufig die Frage nach der Einführung von Kurzarbeit als Instrument der Arbeitsplatzsicherung aufwirft. Welche arbeits- und sozialrechtlichen Voraussetzungen Sie als Arbeitgeber einhalten müssen, um Kurzarbeitergeld (KUG) zu erhalten, darauf gehen wir im folgenden Beitrag näher ein.
Arbeitsrechtliche Voraussetzungen
Sie können als Arbeitgeber die Arbeitszeit der Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres einseitig verkürzen. Vielmehr ist dafür eine arbeitsrechtliche Grundlage erforderlich. Die wirksame Herabsetzung der Arbeitszeit gegenüber den Arbeitnehmern ist dabei Voraussetzung für den KUG-Bezug. Die erforderliche arbeitsrechtliche Grundlage kann in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer einzelvertraglichen Vereinbarung (auch schon durch eine Klausel zur Einführung der Kurzarbeit im Arbeitsvertrag) liegen. Im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wird die Arbeitszeit (sofern ein Betriebsrat gebildet worden ist) dabei klassischerweise durch eine Betriebsvereinbarung (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) oder (vor allem in betriebsratslosen Betrieben) einvernehmlich verringert.
Sofern Sie als öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber Kurzarbeit einführen möchten, müssen Sie beachten, dass die einschlägigen (regulären) Tarifverträge (insbesondere TV-L und TVÖD) keine Regelungen zur Kurzarbeit enthalten. Hinzu kommt, dass selbst wenn es einen Personalrat gibt, die Kurzarbeit nicht über eine Dienstvereinbarung eingeführt werden kann. Denn das Personalvertretungsrecht sieht kein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Kurzarbeit vor. In der Regel wird daher im öffentlichen Sektor eine einvernehmliche Herabsetzung das Mittel der Wahl sein. Dabei muss Ihnen aber bewusst sein, dass die betroffenen Arbeitnehmer zustimmen müssen. Sind diese nicht einverstanden, bleibt Ihnen nur noch die Möglichkeit, zu prüfen, ob in Ihrem Fall eine Einführung der Kurzarbeit durch betriebsbedingte (ggf. außerordentliche) Änderungskündigungen in Betracht kommt. Dies dürfte aber nur ausnahmsweise denkbar sein.
Sozialrechtliche Voraussetzungen
Für einen Anspruch auf KUG müssen neben den arbeitsvertraglichen Voraussetzungen zudem die sozialrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III vorliegen. Diese sind insbesondere:
- Erheblicher, unvermeidbarer Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
- Betriebliche und persönliche Voraussetzungen
- Anzeige des Arbeitsausfalls bei der zuständigen Agentur für Arbeit
Ein erheblicher Arbeitsausfall liegt vor, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht (z.B. Lockdown-Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie, Auftragsrückgänge oder Lieferschwierigkeiten). Entscheidend ist der tatsächliche Rückgang des Arbeitsanfalls. Dabei muss nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III eine Mindestausfallquote von 1/3 der Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs bzw. Betriebsteils erreicht werden, wobei die betroffenen Beschäftigten aufgrund des Arbeitsausfalls ein um mehr als 10 % vermindertes Entgelt erhalten.
Der Arbeitsausfall darf zudem nur vorübergehend und muss unvermeidbar sein. Die Frage der Vermeidbarkeit hat in der Praxis eine große Bedeutung. Insofern müssen Sie als Arbeitgeber z.B. Urlaubsansprüche vor dem KUG-Bezug abbauen, soweit keine vorrangigen Urlaubswünsche der Arbeitnehmer entgegenstehen. Ebenso müssen nach Möglichkeit Arbeitszeitkonten abgebaut werden.
Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in der Behörde mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Die persönlichen Voraussetzungen sind nur beim Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegeben.
Die Anzeige des Arbeitsausfalls müssen Sie nach § 99 SGB III schriftlich oder elektronisch bei der für Sie zuständigen Agentur für Arbeit erstatten. KUG wird dabei frühestes von dem Kalendermonat an geleistet, indem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Behörde eingegangen ist. Für die Anzeige sollten Sie die von der Bundesagentur für Arbeit auf deren Internetseite bereitgestellten Formulare verwenden.
Das KUG beträgt grundsätzlich gemäß § 105 SGB III 60 bzw. 67% der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum. Die Berechnung und Auszahlung des KUG müssen Sie als Arbeitgeber übernehmen.
Kurzarbeit während Corona
Aktuell bestehen aufgrund der Corona-Pandemie gesetzliche Erleichterungen beim KUG-Bezug. Die oben dargestellten Voraussetzungen gelten daher zunächst bis Ende 2021 in modifizierter Form. So müssen zurzeit für den KUG-Bezug u.a. nur folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
- Nur 10 % der Beschäftigten eines Betriebs müssen vom Arbeitsausfall betroffen sein
- Sozialversicherungsbeiträge werden bei Kurzarbeit von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet
- Negative Arbeitszeitsalden müssen nicht aufgebaut werden
Noch interessanter für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber, die Mitglied eines Mitgliedverbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sind, ist der TV-COVID, dessen Geltungsdauer mittlerweile bis zum 31.12.2021 verlängert worden ist. Denn § 3 TV-COVID räumt Ihnen die Möglichkeit ein, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer (einseitig) bis auf null Stunden zu reduzieren. Die Kurzarbeit kann dabei für bis zu 21 Monate eingeführt werden, (zurzeit) aber längstens bis zum 31.12.2021. Auf der anderen Seite ist eine Aufstockung des KUG auf 90 % (Entgeltgruppe 11 bis 15) bzw. 95 % (Entgeltgruppe 1 bis 10) vorgesehen. Zugleich sind betriebsbedingte Kündigungen der betroffenen Arbeitnehmer während der Kurzarbeit und in den drei Monaten danach ausgeschlossen. Der TV-COVID ist u.a. auf der Internetseite des VKA abrufbar.
Weitere hilfreiche Informationen finden Sie z.B. auch auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit.
Fazit
Kurzarbeit war im öffentlichen Dienst bis jetzt allenfalls eine Randerscheinung. Vor allem aufgrund der Corona-Pandemie werden aber nun auch öffentlich-rechtliche Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit in Erwägung ziehen, um etwa ansonsten unter Umständen notwendig werdende betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Wenn Sie über die Einführung von Kurzarbeit in Ihrer Behörde nachdenken, muss dies sorgfältig vorbereitet werden. Vor allem müssen Sie darauf achten, dass Sie die arbeits- und sozialrechtlichen Voraussetzungen für den KUG-Bezug erfüllen. Worauf es dabei ankommt, haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengefasst. Ansonsten ist es erfahrungsgemäß sehr hilfreich, wenn Sie sich frühzeitig mit der für Sie zuständigen Arbeitsagentur abstimmen und diese von Anfang an in Ihr Vorhaben einbinden.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Die Beratungspraxis umfasst sämtliche Bereiche des Wirtschaftsrechts. Dies gilt insbesondere auch für das Vergabe-, Presse- und Arbeitsrecht.