Das wollte ich nicht – Haftung von Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst
Wenn Arbeitnehmer:innen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Fehler machen oder den Dienstherrn, Kollegen:innen oder außenstehenden Dritten einen Schaden zufügen, können Sie sich als Dienstherr fragen, ob und wenn ja, in welchem Umfang Arbeitnehmer:innen den verursachten Schaden ersetzen müssen. Beachten Sie aber: Die Haftung von Arbeitnehmer:innen ist begrenzt. Denn Arbeitnehmer:innen werden im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers tätig. Da Sie von der Tätigkeit der Arbeitnehmer:innen profitiert, müssen Sie im Gegenzug hinnehmen, dass Sie sich auch an Schäden, die Ihre Mitarbeitenden bei ihrer Tätigkeit verursachen, beteiligen müssen. Welche Regeln gelten und was Sie bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen beachten müssen, erklären wir Ihnen im nachfolgenden Beitrag.
Rechtliche Regelungen
Die wichtigste Regelung für die Haftung von Arbeitnehmer:innen des öffentlichen Dienstes, die Sie beachten müssen, ist § 3 Abs. 7 TV-L. Danach gelten für die Haftung der Arbeitnehmer:innen die Vorgaben, die auch für Beamte des jeweiligen Landes gelten. Über § 96 Abs. 1 LBG-BW führt diese zu einer der Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Das heißt: Nur wenn Ihre Mitarbeitenden vorsätzlich oder grob fahrlässig einen Schaden verursachen, können Sie Ersatz verlangen. In allen anderen Fällen (z.B. leichte Fahrlässigkeit) scheidet eine persönliche Inanspruchnahme aus.
Schädigung von Kollegen:innen
Verletzt ein/e Arbeitnehmer:in bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben eine/n andere/n Kollegen:in der Dienststelle oder den Arbeitgeber persönlich, liegt in der Regel ein Versicherungsfall i.S.d. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII vor. In diesem Fall übernimmt der jeweilige Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand den Personenschaden, außer der Schaden ist vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt worden. Allerdings führt nicht jeder Unfall mit Personenschaden im Arbeitsumfeld zu einer Verlagerung der Haftung auf den jeweiligen Unfallversicherungsträger. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Schaden nur bei „Gelegenheit“ der Arbeit verursacht wird, etwa beim Gang in die Kantine. In diesen Fällen haftet der Mitarbeitende wie im privaten Bereich.
Haftung gegenüber dem Dienstherrn
Arbeitnehmer:innen – auch wenn sie nicht für einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber tätig sind – haften nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des sog. innerbetrieblichen Schadensausgleiches nur eingeschränkt, wenn sie Schäden im Rahmen einer vom Arbeitgeber veranlassten Tätigkeit verursachen. Allgemein gilt folgende Abstufung:
- Vorsatz: volle Haftung
- Grobe Fahrlässigkeit: grundsätzlich volle Haftung, ggf. aber Beschränkung, wenn die Schadenshöhe die Existenzgrundlage des/der Arbeitnehmers:in zerstören würde.
- Mittlere Fahrlässigkeit: Aufteilung des Schadens nach dem jeweiligen Grad des Verschuldens
- Leichteste Fahrlässigkeit: keine Haftung
Für Arbeitnehmer:innen des öffentlichen Dienstes gelten noch weitreichendere Haftungserleichterungen. Denn über die schon angesprochenen § 3 Abs. 7 TV-L, § 96 Abs. 1 LBG-BW können Sie als Dienstherr von vorneherein nur Schadenersatz verlangen, wenn dieser vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden ist. Diese Voraussetzungen liegen aber oft nicht vor. Denn eine Haftung kommt nur in Betracht bei:
- bei Vorsatz, d.h. einer zumindest billigenden Inkaufnahme der Schadensverursachung.
- grober Fahrlässigkeit, d.h. wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt wird.
Insbesondere bei alltäglichen Fehlern/Versehen von Arbeitnehmern:innen ist eine Inanspruchnahme daher regelmäßig aus rechtlicher Sicht nicht möglich und auch zur Wahrung des Betriebsfriedens nicht empfehlenswert.
Haftung gegenüber Dritten
Bei der Haftung gegenüber dienststellenfremden Dritten muss unterschieden werden, ob die/der Arbeitnehmer:in im öffentlich-rechtlichen oder privat-rechtlichen Tätigkeitsbereich den Schaden verursacht hat.
Handeln Arbeitnehmer:innen in Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes und verletzen eine Amtspflicht, greift § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG ein. In diesem Fall geht ein etwaiger Schaden auf den Dienstherren über. Eine persönliche Haftung des/der Arbeitnehmers:in scheidet dann aus.
Im privat-rechtlichen Tätigkeitsbereich des Dienstherren, d.h. wenn Arbeitnehmer:innen nicht in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes i.S.d. Art. 34 GG handeln (z.B. bei der Bestellung von Bürobedarf) haften diese grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln. Es greift auch keine Haftungsbeschränkung gegenüber dem Dritten ein. In diesen Fällen ist es aber nicht nur eine Angelegenheit zwischen dem/der Arbeitnehmer:in und dem Dritten. Denn der Mitarbeitende kann gegenüber Ihnen einen Anspruch auf Freistellung haben. Voraussetzung dafür ist, dass der/die Arbeitnehmer:in in Erfüllung seiner/ihrer bestehenden arbeitsvertraglichen Pflichten gehandelt und im Zuge dessen einen Dritten geschädigt hat. Das Bestehen und die Höhe des Freistellungsanspruches des/der Arbeitnehmer:in gegenüber Ihnen als Arbeitgeber hängt dann wiederum vom Grad des Verschuldens ab.
Dies bedeutet, dass Sie, sofern der/die Arbeitnehmer:in nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, den Schaden des Dritten im Ergebnis übernehmen müssen. Deshalb, aber auch aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht, ist es empfehlenswert, dass Sie den/die Arbeitnehmer:in nicht „alleine“ lassen“, wenn diese/r von einem Dritten in einer solchen Situation in Anspruch genommen wird, sondern dass Sie diese/n unterstützen.
Geltendmachung eines Schadens
Wenn Sie sich entschließen, einen Schadenersatzanspruch gegen eine/n Arbeitnehmer:in wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis geltend zu machen, müssen Sie insbesondere die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L beachten. Danach müssen Sie Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit des Anspruchs schriftlich gegenüber dem/der Arbeitnehmer:in geltend machen. Warten Sie also zu lange, kann das Risiko bestehen, dass der Schadensersatz schon wegen § 37 Abs. 1 TV-L nicht mehr durchgesetzt werden kann. Zudem ist die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Arbeitnehmer:innen nach § 75 Abs. 3 Nr. 9 LPVG-BW mitbestimmungspflichtig, sofern der/die Arbeitnehmer:in die Beteiligung des Personalrats beantragt.
Fazit
Arbeitnehmer:innen des öffentlichen Dienstes genießen weitreichende Haftungsprivilegien. Wie Sie gesehen haben, ist ihre Haftung von vorneherein auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Eine Haftung der Arbeitnehmer:innen wird daher nur in Ausnahmefällen bei besonders sorglosem bzw. vorsätzlichen Verhalten bestehen. Denken Sie dennoch darüber nach, eine/n Arbeitnehmer:in in Anspruch zu nehmen, sollten Sie im Vorfeld sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen. In vielen Fällen hat es sich außerdem bewährt, zunächst – wenn möglich – eine einvernehmliche Lösung mit dem/der Arbeitnehmer:in zu finden, um eine rechtliche Auseinandersetzung, die auch das Arbeitsverhältnis belasten könnte, zu vermeiden.
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