Gerade in Krisenzeiten kommt es häufiger vor: Ein Bieter oder sogar der Bestbieter im Vergabeverfahren ist zahlungsunfähig (insolvent) oder wird es im Laufe des Vergabeverfahrens. Für öffentliche Auftraggeber stellt sich dann die Frage, ob sie einen solchen Bieter aus dem Vergabeverfahren ausschließen können bzw. müssen oder einfach den Zuschlag erteilen dürfen.
Insolvenz im Vergabeverfahren
Die Möglichkeit von insolventen Bietern hat auch das Vergaberecht erkannt (§ 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Ziel ist es, die öffentliche Hand davor zu schützen, dass der Auftragnehmer die beschaffte Leistung nicht oder nicht vollständig erbringen kann.
Die Zahlungsunfähigkeit oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, die Ablehnung eines solchen Verfahrens „mangels Masse“ oder die Auflösung des Unternehmens (Liquidation) eröffnen dem öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, den jeweiligen Bieter aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. Dabei handelt es sich aber nicht um einen zwingenden, sondern um einen „fakultativen“ Ausschlussgrund. Der öffentliche Auftraggeber hat also die Wahl, ob er den Bieter ausschließen möchte oder nicht.
Was kann die Vergabestelle tun?
Für Vergabestellen stellt sich bei insolventen Bietern die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sie Bieter im Verfahren belassen können oder ausschließen müssen. Diese Entscheidung fällt öffentlichen Auftraggebern mitunter schwer, weil der Zuschlag darüber entscheiden kann, ob das jeweilige Unternehmen wieder auf die Beine kommt oder nicht.
Gleichzeitig läuft ein öffentlicher Auftraggeber Gefahr, dass das insolvente Unternehmen nicht leistungsfähig ist und den Auftrag nicht ordnungsgemäß erbringen wird. Es gibt aber keine Regelvermutung dafür, dass ein Bieter tatsächlich ungeeignet ist, wenn ein Insolvenzverfahren beantragt ist (OLG Celle, Beschluss vom 18.02.2013, 13 Verg 1/13).
Gründe für die Entscheidungen zu einem Ausschluss
Diese Erwägungen zeigen, dass eine besonders sorgfältige Ermessensausübung bei der Frage erforderlich ist, ob ein Bieter wegen mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit ausgeschlossen wird.
Bei der Entscheidung über den Ausschluss eines Bieters (Ermessensausübung) können verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigt werden, etwa ob ein Insolvenzverfahren schon „mangels Masse“ abgelehnt wurde. Wenn das der Fall ist, spricht das regelmäßig stärker dafür, dass das Unternehmen ungeeignet ist als die bloße Beantragung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Denn bei der Ablehnung eines Insolvenzverfahrens „mangels Masse“ reicht das Vermögen des Unternehmens noch nicht einmal aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Ähnlich verhält es sich, wenn sich ein Unternehmen schon in Liquidation (Auflösung) befindet und deshalb die Auftragsausführung in Frage gestellt ist.
Was muss die Vergabestelle tun?
Öffentliche Auftraggeber müssen für jeden Einzelfall eine sorgfältige Prognose darüber treffen, ob das Unternehmen in Zukunft die für den Auftrag erforderliche Leistungsfähigkeiten und Zuverlässigkeit haben wird (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.02.2013, 13 Verg 1/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.05.2012, VII-Verg 68/11). In die Beurteilung sind alle Anhaltspunkte und Indizien aufzunehmen, die Hinweise auf die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Bieters zulassen. Konkret geht es um die Beantwortung der Frage, ob ein Bieter trotz seiner Insolvenz den jeweiligen öffentlichen Auftrag erfüllen können wird.
Öffentliche Auftraggeber können zur Entscheidungsfindung auch Aufklärung beim Bieter verlangen (vgl. § 15 Abs. VgV). Bieter sind dann gut beraten, wenn sie Zweifel beim Auftraggeber durch die Vorlage von Sanierungskonzepten oder Stellungnahmen des Insolvenzverwalters bzw. Sanierers ausräumen. Unternehmen können einem etwaigen Ausschluss und Nachfragen auch zuvorkommen, indem sie als eine Art „Selbstreinigung“ (§ 125 Abs. 1 GWB) dem Auftraggeber detailliert darlegen, weshalb kein Ausfall aus wirtschaftlichen Gründen während der Vertragslaufzeit zu erwarten ist (z.B. unter Vorlage von Sanierungskonzepten oder Stellungnahmen).
Wie kann die Vergabestelle einen insolventen Bieter unterstützen?
Ein öffentlicher Auftraggeber unterstützt ein insolventes Unternehmen schon dann, wenn er die Prognose über die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Zukunft ordnungsgemäß durchführt und ggf. Aufklärung verlangt. Kommen öffentliche Auftraggeber zu einer positiven Prognose, kann der Zuschlag trotz Insolvenz bzw. Zahlungsunfähigkeit erteilt werden. Und so kann eventuell auch einem Unternehmen geholfen werden, die Krisensituation wieder zu verlassen.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Im Bereich des Vergaberechts steht OPPENLÄNDER für ausgezeichnetes vergaberechtliches Know-how. Die Beratungspraxis umfasst die Begleitung von Bietern und öffentlichen Auftraggebern während des gesamten Vergabeverfahrens sowie die effektive Durchsetzung ihrer Rechte vor den Vergabenachprüfungsinstanzen.