Vergabefremde Kriterien: Was Sie als Vergabestelle berücksichtigen dürfen
Das Vergabeverfahren dient Ihnen als Vergabestelle dazu, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln und damit den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ist der Preis ein wichtiges, aber nicht das allein entscheidende Kriterium. Sie können als Vergabestelle zur Erreichung bestimmter strategischer (politischer) Ziele auch „vergabefremde Kriterien“ berücksichtigen. Dieser Beitrag zeigt Ihnen, wie das geht.
Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot
Das Vergabeverfahren endet mit dem Zuschlag. Der Zuschlag wird dabei auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt (§ 127 Abs. 1 GWB). Maßgeblich dafür ist die Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. In der Sache geht es um die Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses (§ 127 Abs. 1 Satz 3 GWB). Um dieses beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln, können Sie neben dem Preis oder den Kosten auch „qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte“ berücksichtigen (§ 127 Abs. 1 Satz 4 GWB). Nachdem diese Kriterien mit dem eigentlichen Ziel der Auftragsvergabe, nämlich dem wirtschaftlichen Einkauf, nicht unmittelbar zusammenhängen, wurde früher von „vergabefremden Kriterien“ gesprochen. Nachdem mit diesen Kriterien aber insbesondere politische Ziele verfolgt werden, spricht man heute auch von „strategischen Vergabezielen“.
Vergabefremder Aspekte im Vergabeverfahren
Nach § 97 Abs. 3 GWB müssen Sie als öffentlicher Auftraggeber auch „Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte“ bei der Auftragsvergabe berücksichtigen. Die Aspekte gehören durch die Regelung in § 97 GWB zu den „Grundsätzen der Vergabe“, was deren Bedeutung unterstreicht. Neben der grundsätzlichen Pflicht zur Berücksichtigung dieser Kriterien im Vergabeverfahren, „können“ Sie neben dem Preis oder den Kosten auch „qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte“ bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigen (§ 127 Abs. 1 Satz 4 GWB). Das greifen auch die Vergaberegelungen im Oberschwellenbereich für Liefer- bzw. Dienstleistungsaufträge (§ 58 Abs. 2 Satz 2 VgV) und für Bauaufträge auf (§ 16d Abs. 2 Nr. 1 EU-VOB/A 2019). Die darin genannten Zuschlagskriterien sind dabei nicht abschließend.
Unterhalb der EU-Schwellenwerte (sog. „Haushaltsvergaberecht“) sind nur im Baubereich soziale und ökologische Kriterien von den Kommunen zu berücksichtigen. Als verbindliche Vergabegrundsätze im Sinne von § 31 Abs. 2 GemHVO müssen die Kommunen bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen die Vergabe- und Vertragsordnung von Bauleistungen Teil A (VOB/A) anwenden (vgl. 2.1.1 Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums für die Vergabe öffentlicher Aufträge 27.02.2019, Az. 2-2242.0/21, VergabeVwV). Der Teil A der VOB/A sieht wie im Oberschwellenbereich vor, dass neben dem Preis oder den Kosten auch „qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte“ berücksichtigt werden können. Im Liefer- und Dienstleistungsbereich unterhalb der EU-Schwellenwerte gibt es keine entsprechende Bindung der Kommunen an „soziale, ökologische und umweltbezogene“ Kriterien. Zwar gilt „an sich“ die Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO), wonach bei der Vergabe „Aspekte der Qualität und Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte“ „berücksichtigt werden“ (§ 2 Abs. 3 UVgO); diese Kriterien „können“ wiederum beim Zuschlag neben dem Preis oder den Kosten herangezogen werden (§ 43 Abs. 2 Satz 2 UVgO). Für die Kommunen ist die Anwendung der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Fassung vom 05.06.2019, Az. 64-0230.0/160, VwV Beschaffung) und damit die Anwendung der UVgO bislang aber nur empfohlen (vgl. 2.3.2 VergabeVwV). Der den Kommunen noch verbleibende Bereich, in dem die Kommunen und damit Sie als öffentliche Auftraggeber nicht an die Berücksichtigung „sozialer, ökologischer und umweltbezogene Kriterien“ bei der Vergabe gebunden sind, beschränkt sich also auf den Liefer- und Dienstleistungsbereich.
Berücksichtigung vergabefremder Aspekte bei der Zuschlagsentscheidung
Die grundsätzliche Möglichkeit, Aspekte der „Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte“ als Zuschlagskriterien bei der Auswahl des Angebots zu berücksichtigen, ist an gewisse Anforderungen gebunden. So müssen die Kriterien etwa einen sachlichen Bezug zum Auftragsgegenstand haben und sich aus der Bekanntmachung oder der Leistungsbeschreibung ergeben (§ 127 Abs. 3 Satz 1 GWB, § 127 Abs. 5 GWB). Zuschlagskriterien stehen mit dem Auftragsgegenstand im Zusammenhang, wenn sie sich auf die gemäß dem Auftrag zu erbringende Leistung oder Lieferung oder Dienstleistungen beziehen und zwar unabhängig von dem Lebenszyklus-Stadium. Dazu gehören Faktoren, die mit dem spezifischen Prozess der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung solcher Leistungen oder Lieferungen oder des Handels damit oder einem spezifischen Prozess in Bezug auf ein anderes Lebenszyklus-Stadium zusammenhängen (§ 127 Abs. 3 Satz 2 GWB).
Veröffentlichung und Bindung an die Kriterien
Entsprechend Ihres Leistungsbestimmungsrechts als Auftraggeber bleibt Ihnen auch die Auswahl der Zuschlagskriterien überlassen. Sie müssen die Zuschlagskriterien aber vorgeben (§ 127 Abs. 1 Satz 2 GWB). Vorgegeben in diesem Sinne sind die Zuschlagskriterien, wenn Sie sie in der Bekanntmachung benennen (§ 127 Abs. 5 GWB). Mit der Bekanntmachung sind Sie für die Bewertung der Angebote an die bekanntgemachten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung gebunden. Andere Zuschlagskriterien dürfen Sie nicht mehr berücksichtigen, außer Sie machen die Änderung vor Ablauf der Angebotsfrist transparent. Das Verbot der nachträglichen Änderung gilt für Sie im Übrigen auch bei der vorgenommenen Auslegung der Zuschlagskriterien, also bei der Frage, wie die Zuschlagskriterien durch Sie verstanden bzw. ausgefüllt werden, und bei den Gewichtungsregelungen.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Die Beratungspraxis umfasst sämtliche Bereiche des Wirtschaftsrechts. Dies gilt insbesondere auch für das Vergabe- und Kartellrecht.