Bei europaweiten Ausschreibungen von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen müssen Sie als öffentlicher Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber die Vergabeunterlagen grundsätzlich online unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abrufbar zur Verfügung stellen. So steht es etwa in § 41 VgV und SektVO oder auch § 11 EU VOB/A.
Bei nationalen Ausschreibungen von Liefer- und Dienstleistungen nach der UVgO gilt das Gleiche, soweit landesrechtliche Bestimmungen keine Ausnahmen vorsehen. Nur bei nationalen Bau-Ausschreibungen bzw. nach der VOL/A steht Ihnen ein Wahlrecht zu. Sie können statt der elektronischen Form die Vergabeunterlagen auch als Papierausdruck versenden.
Angesichts dieser umfangreichen Verpflichtungen und Nutzungen der elektronischen Vergabe (eVergabe) lohnt sich ein genauerer Blick auf folgende Fragen:
- Welche konkreten Bestandteile der Vergabeunterlagen müssen Sie zu welchem Zeitpunkt elektronisch zur Verfügung stellen?
- Was passiert bei technischen Störungen der Vergabeplattform oder bewussten Einschränkungen durch Sie als Auftraggeber?
Die Unterlagen: Das braucht es!
Nach dem Wortlaut in den jeweiligen Verordnungen müssen Sie die Vergabeunterlagen elektronisch zur Verfügung stellen. Was zu den Vergabeunterlagen gehört, wird an anderer Stelle in den Vergabeverordnungen beschrieben: Sie umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen (vgl. § 29 VgV).
Dennoch (oder gerade deshalb) müssen nicht immer alle Bestandteile der Vergabeunterlagen von Anfang an elektronisch zur Verfügung stehen. Beim vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb im nichtoffenen Verfahren oder im Verhandlungsverfahren muss etwa der Entwurf eines Reinigungsvertrags noch nicht Teil der Unterlagen sein, weil der Bewerber in der ersten Stufe, dem Teilnahmewettbewerb, lediglich seine Eignung nachweist und seine Entscheidung für eine Teilnahme nicht vom Vertragsentwurf abhängt. Der Vertrag wird erst in der zweiten Stufe, der Angebotsphase, wichtig. Das hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf im Beschluss vom 17.10.2018 so gesehen.
Tipp: Änderungen und Antworten auf Bieterfragen müssen übrigens, genauso wie die Vergabeunterlagen, elektronisch zur Verfügung gestellt werden.
Von Zeit und Raum
Wo die Vergabeunterlagen bzw. die Teilnahmeunterlagen digital heruntergeladen werden können, steht in der Bekanntmachung. An dieser Stelle müssen sie zeitgleich mit der Veröffentlichung der Bekanntmachung zur Verfügung stehen.
Die Vergabeunterlagen müssen bei einstufigen Vergabeverfahren bis zum Ablauf der Angebotsfrist und beim Teilnahmewettbewerb bis zum Ablauf der Teilnahmefrist elektronisch bereitgestellt werden. Vorher darf ein Auftraggeber die Unterlagen nicht zurückziehen oder sperren, weil den Bewerbern bzw. Bietern die volle Zeitspanne zur Erstellung ihres Angebotes bzw. Teilnahmeantrags zur Verfügung stehen muss. Die Bieter müssen noch am Tag der Angebotsabgabe (auch erstmals) auf die Vergabeunterlagen zugreifen können.
Die Pflicht zur elektronischen Bereitstellung endet mit dem Ablauf der Angebots- bzw. Teilnahmefrist, weil der Zweck, den Bewerbern bzw. Bietern eine Teilnahme zu ermöglichen, erfüllt ist. Selbstverständlich müssen beim zweistufigen Vergabeverfahren die weiteren Bestandteile der Vergabeunterlagen für die Angebotsphase ebenfalls elektronisch zur Verfügung gestellt werden, aber nicht mehr unmittelbar und für jedermann frei zugänglich, sondern nur noch für die ausgewählten Bewerber.
Technische Störung der Vergabeplattform
Sind die Vergabeunterlagen während der Angebots- bzw. Teilnahmefrist nicht direkt und vollständig abrufbar, weil die Vergabeplattform ausfällt oder eine sonstige Störung auf der Vergabeplattform vorliegt, sollten Sie die Störung so schnell wie möglich beheben. Je nachdem, wie lange die Störung andauert und zu welcher Uhrzeit sie eintritt, sind Sie verpflichtet, die Teilnahme- bzw. Angebotsfrist zu verlängern. Trat die Störung nur kurzzeitig, etwa aufgrund von nächtlichen Wartungsarbeiten außerhalb der üblichen Arbeitszeiten, ein und war die Angebotsfrist von vornherein länger als die gesetzliche Mindestdauer, dürfte eine Fristverlängerung allerdings nicht erforderlich sein.
Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie die Vergabeplattform falsch bedient haben oder die Ursache für die Störung bei Ihrem Dienstleister für die Plattform liegt. Auch für die Störungen beim Plattformbetreiber sind letztendlich Sie verantwortlich.
Erlaubte Einschränkungen wegen Urheberrechte?
Einige Auftraggeber gehen dahin, die Vergabeunterlagen von vornherein und dauerhaft nicht zum unmittelbaren und direkten Abruf bereitzustellen, sondern zunächst eine Registrierung des Unternehmers zu verlangen, und begründen dieses Vorgehen mit dem eigenen Urheberrecht an den Vergabeunterlagen.
Das ist jedoch vergaberechtswidrig, weil sie der gesetzgeberischen Grundentscheidung widerspricht, dass die Vergabeunterlagen grundsätzlich direkt abrufbar sein müssen. Gesetzlich zugelassene Einschränkungen zum Schutz der Vertraulichkeit (vgl. etwa § 41 Abs. 3 VgV) haben nicht das Urheberrecht im Blick, sondern den vertraulichen Inhalt bei etwa sicherheitsrelevanten Informationen über Verschlusssachen.
Und die Moral von der Geschicht‘…
… die Bereitstellung zum freien und direkten Abruf der Vergabeunterlagen ist für alle Auftraggeber eine Pflicht!
Nur bei nationalen Bauvergaben oder bei Verfahren nach VOL dürfen Sie, ohne Pflichten zu verletzen, noch auf den herkömmlichen Versand in Papierform setzen.
Ist die Vergabeplattform technisch gestört, wird der Bieter mit der Bitte um Verlängerung der Angebotsfrist erhört.
Der Hinweis auf das Urheberrecht ist als Rechtfertigung für eine Einschränkung schlecht.