Transparent & kreativ: Bürgerbeteiligung rundum das Gesundheitszentrum Spaichingen
Gesundheit ist etwas, dass die Menschen immer interessiert. Im Pandemie-Jahr 2020 galt das mehr denn je. Auch im Landkreis Tuttlingen dominierte die Gesundheit die Gespräche, allerdings diskutierten die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Kreisverwaltung über die Zukunft des Klinikums Spaichingen. Für diesen vorbildlichen Bürgerdialog wurde das Landratsamt mit dem Staatsanzeiger Award ausgezeichnet.
Als der Kreistag entschieden hatte, das Klinikum in Spaichingen in ein neues Gesundheitszentrum am Standort Tuttlingen zu integrieren, beobachtete die Kreisverwaltung eine angespannte Stimmung bei den Bürgerinnen und Bürgern. Die Kreisverwaltung ging damit proaktiv um und entwickelte gemeinsam mit dem Büro Translake aus Konstanz ein Konzept für einen begleitenden Bürgerdialog.
Das Ziel bestand darin, Offenheit und Transparenz zu schaffen, und die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für die Pläne zu gewinnen. Im Dialog sollten alle Beteiligten eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung, Prävention und Pflegeangebote entwickeln.
Gemischte Dialoggruppe bietet viele Perspektiven
Dafür wurde zunächst eine Dialoggruppe aus 70 Personen zusammengestellt. Die Dialoggruppe bestand zum einen aus zufällig ausgewählten Bürger:innen und zum anderen aus Expert:innen und Interessenvertreter:innen. Dazu zählten unter anderem das Kreisklinikum, der Förderverein Krankenhaus Spaichingen, die Ärzteschaft, Medizinstudenten, Jugendliche, örtliche Sportvereine, der Kreisseniorenrat, Elternbeiräte KITAs, Volkshochschule und Mitglieder der Koordinierungsgruppe. Die beteiligten Bürgerinnen und Bürger wurden mittels des Einwohnermelderegister gezogen und eingeladen.
Die Dialoggruppe traf sich im September und November 2020 an drei Samstagvormittagen. Aufgrund der Corona-Pandemie fanden die zweite und dritte Dialogveranstaltung virtuell statt. Zunächst kam die Sorge auf, dass das digitale Format das Engagement der Dialoggruppe herabsenken könnte. Dem war jedoch nicht so: Die Dialogrunde traf sich online in gleicher Besetzung. Die Tiefe der Diskussion und die Ergebnisse sind absolut vergleichbar mit denen einer Präsenzveranstaltung. Tatsächlich erklärten später einige Teilnehmende, dass sie das digitale Format sogar noch besser fanden, weil sie von zu Hause aus teilnehmen konnten.
Vor und nach den Terminen wurde die Presse über alle Inhalte der Beteiligung informiert. Gleichzeitig informierte die Kreisverwaltung über die Projekt-Website. Zum Abschluss fand eine digitale Informationsveranstaltung statt, um der interessierten Bevölkerung die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse aus dem Beteiligungsprozess vorzustellen.
Beteiligung rückt den Fokus auf die Zukunft
Die Veranstalter:innen zeigten sich mit den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung sehr zufrieden. Es sind viele Perspektiven und Vorschläge in der Dialoggruppe entstanden, die stets den Blick auf die Zukunft des Gesundheitszentrums richteten. Kritik im Hinblick auf die Standortverlegung trat in den Hintergrund. Kreisverwaltung, Kreistag und Gemeinderat erhielten viele nützliche Impulse und Informationen. Die Empfehlungen der Dialoggruppe bildeten die Grundlage für weitere, wichtige Entscheidungen rund um das Projekt.
Die Vor- und Nachbereitung des Beteiligungsprozesses umfasste etwa 12 Monate und kostete den Landkreis rund 61.000 Euro. Insbesondere die corona-bedingte Umplanung der Präsenztreffen erforderte viel Flexibilität und Einsatz. Dabei war die Vorbereitungsgruppe, die den Prozess begleitete, eine große Hilfe.
Der Bürgerdialog in Tuttlingen hat eindrücklich bewiesen, dass eine Bürgerbeteiligung für eine erfolgreiche Projektumsetzung mit kritischer Infrastruktur unabdingbar ist. Bestehende Konflikte konnten durchleuchtet und aus der Welt geschaffen, sowie neue Lösungswege gefunden werden. „Der Ideenreichtum der Bürgerschaft ist ein Schatz, den man nicht links liegen lassen darf. Mit Blick auf die steigenden kommunalen Herausforderungen ist diese Kreativität für Verwaltungen von großem Wert“, resümiert Carina Dettinger, die Projektkoordinatorin für das neue Gesundheitszentrum aufseiten des Landratsamts Tuttlingen. Sie ist davon überzeugt, dass Partizipation Akzeptanz schafft. Und davon können schlussendlich alle Beteiligten nur profitieren.
An den Landkreis Tuttlingen ging der Staatsanzeiger Award in der Kategorie „Bürgerbeteiligung“ für den Bürgerdialog zur Weiterentwicklung des Gesundheitszentrums Spaichingen. Der Award wurde kreiert von der Künstlerin Sabine Reichert.