Fit für die Schule: „Wenn wir das schaffen, können das auch andere Kommunen!“
Die richtige Vorbereitung auf den Schulstart kann für geflüchtete Kinder einen entscheidenden Unterschied machen. In unserem heutigen Interview sprechen wir mit der Flüchtlings- und Integrationsbeauftragten der Stadt Rappenau Jeanette Renk-Mulder über das über das Projekt „Fit für die Schule“, das kürzlich mit dem PR-Award des Staatsanzeigers ausgezeichnet wurde.
Könnten Sie uns Ihr Projekt kurz vorstellen? Was war die ursprüngliche Idee dahinter?
Ende 2022 wurde in Bad Rappenau eine neue Gemeinschaftsunterkunft mit etwa 130 geflüchteten Menschen eröffnet, darunter viele Kinder. Für die Schulen stellte das eine große Herausforderung dar, und wir fragten uns, wie wir sie unterstützen könnten. Daraus entstand die Idee zu „Fit für die Schule“ – einem spielerischen Lernangebot für Vorschulkinder, die noch keinen Kindergartenplatz hatten. Ziel war es, diese Kinder besser auf die Schule vorzubereiten.
Die Kinder lernen nicht nur Deutsch, sondern auch wichtige soziale, kognitive und motorische Fähigkeiten, die in der Schule gebraucht werden. Dazu gehören unter anderem Konzentrationsfähigkeit, das Einhalten von Regeln, das Hören auf Erwachsene, Geduld und die Fähigkeit, mit Verlusten umzugehen. Spielerisch werden sie auch auf das Malen, Schneiden, Puzzeln sowie auf das Erkennen von Zahlen, Buchstaben und Farben vorbereitet. Jahreszeiten und Feste wie Ostern, Nikolaus und Fasching werden thematisiert und gefeiert. Am Ende des Projekts basteln die Kinder sogar ihre eigenen Schultüten.
Was waren die größten Herausforderungen, die Sie bewältigen mussten?
Es gab nicht viele Hindernisse. Zum Glück konnten wir zwei qualifizierte Ehrenamtliche für das Projekt gewinnen: eine pensionierte Erzieherin, die weiß, was Vorschulkinder im Kindergarten lernen sollten, und eine Sprachförderkraft aus der Grundschule, die genau weiß, welche Fähigkeiten die Kinder in der Schule brauchen. Gemeinsam entwickelten sie ein Konzept, das unser Team zweimal pro Woche für zwei Stunden umsetzt. Unser Team ist multikulturell und besteht außerdem aus einem Bundesfreiwilligen, zeitweise einer Praktikantin und mehreren Ehrenamtlichen.
Die Kinder kommen alle sehr gern, und die Familien sind dankbar für dieses Angebot. Auch die Schulen schätzen es, und es ist relativ einfach, Ehrenamtliche zu finden, die das Projekt unterstützen.
Welche Erfolge oder Meilensteine haben Sie bisher erreicht?
Die Kinder waren anfangs oft noch sehr aufgedreht, denn in der Unterkunft leben sie meist mit der ganzen Familie in einem Zimmer, und es gibt keinen Aufenthaltsraum. Doch nach und nach haben sie von den festen Strukturen, Ritualen und den Vorschulangeboten profitiert. Bei einigen Kindern sieht man wöchentlich Fortschritte, bei anderen monatlich.
Inzwischen wurden zwei Gruppen eingeschult, und Mitte September starten wir mit der dritten Gruppe. Die Kinder gingen stolz mit ihren selbstgebastelten Schultüten in die Schule.
Der Staatsanzeiger Award 2024
Seien Sie dabei, wenn wir herausragende Konzepte und Engagement auszeichnen!
Reichen Sie Ihr Projekt in einer oder gerne auch mehreren Kategorien ein und zeigen Sie der fachkundigen Jury, wie Sie Ihre Bürger:innen mit „ins Boot holen“. Bewerbungsschluss ist der 31. Oktober 2024. Die Teilnahme ist selbstverständlich kostenlos.
Was haben Sie aus diesem Projekt gelernt, das Sie mit anderen Gemeinden teilen möchten?
Das Angebot ersetzt natürlich keinen Kindergarten, aber es unterstützt zugewanderte Vorschulkinder auf ihrem Weg zur Schule. Es ist dabei so viel mehr als nur Deutschunterricht. Das Projekt war einfach zu organisieren und hat nur wenig Geld gekostet. Wenn wir das schaffen, können das auch andere Kommunen! Es gibt überall pensionierte Erzieherinnen, die bereit sind, ihr Wissen ein- oder zweimal pro Woche einzubringen. Wichtig ist, dass die Integrationsabteilung der Stadtverwaltung das Projekt unterstützt, damit die Familien auch wirklich erreicht werden.
Wie hat die Zusammenarbeit mit Partnern zum Erfolg Ihres Projekts beigetragen?
Wir sind sehr dankbar für unsere großartigen Kooperationspartner. Beide Kirchen haben uns Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, das Deutsche Rote Kreuz hat uns Spielsachen geschenkt, und die qualifizierten Ehrenamtlichen bringen ihr Wissen, ihre Erfahrung, ihre Ideen, Geduld und ihr großes Engagement ein. Auch weitere Ehrenamtliche aus verschiedenen Ländern haben sich eingebracht. Wir sind ein tolles Team und haben gemeinsam viel erreicht.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem PR Award des Staatsanzeigers?
Diese Auszeichnung ist eine große Ehre und eine Anerkennung für die wertvolle Arbeit unseres multikulturellen Teams. Es war schön, unsere Erfolge mit Kolleginnen und Kollegen zu feiern, die ebenfalls inspirierende Projekte organisiert haben. Uns war es wichtig, dass unser Konzept eine breite Öffentlichkeit erreicht, damit hoffentlich mehr Kommunen, die vor ähnlichen Problemen stehen, ein Angebot wie „Fit für die Schule“ ins Leben rufen.
Jeanette Renk-Mulder wurde in den Niederlanden geboren und hat sich schon immer für andere Länder, Sprachen und Kulturen interessiert. Sie hat in sieben Ländern gelebt, sieben Fremdsprachen gelernt und erzieht ihre drei Töchter zweisprachig. Durch ihre persönlichen Erfahrungen kennt sie die Herausforderungen, denen zugewanderte Familien zu Beginn gegenüberstehen. Seit 2015 entwickelt sie in der Integrationshilfe von Bad Rappenau innovative Ideen, Konzepte und Projekte, um Frauen, Männer und Kinder mit Migrationshintergrund zu unterstützen.