Die eVergabe ist im Oberschwellenbereich schon seit einiger Zeit verpflichtend und Teil des Vergabealltags. Angebote, Interessenbekundungen und Teilnahmeanträge sind in Textform mithilfe elektronischer Mittel, also Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung wie z.B. Computer und Software einzureichen.
Das klingt einfach, führt in der Praxis aber zu Umsetzungsschwierigkeiten. Einige Vergabestellen fordern aus alter Gewohnheit beispielsweise mehr, als rechtlich zulässig ist. Dieser Blogbeitrag gibt deshalb Hinweise zur Angebotsabgabe in Textform.
Was bedeutet die Angebotsabgabe in Textform für die Unterzeichnung des Angebots?
Bieter sind nach § 53 Abs. 1 VgV (§ 11 Abs. 4 VOB/A-EU) berechtigt, ihre Angebote insgesamt in Textform nach § 126b BGB mit Hilfe elektronischer Mittel zu übermitteln. Öffentliche Auftraggeber sind umgekehrt dazu verpflichtet, die elektronische Kommunikation anzuerkennen.
Bei der elektronischen Übermittelung „des Angebots“ genügt die Übermittelung des Angebotsschreibens, aller zum Angebotsinhalt bzw. zur Angebotserläuterung gehörender Erklärungen des Bieters sowie aller seiner sonstigen Eigenerklärungen jeweils in Textform. Die Textform sieht keine Unterschrift und damit auch keine eingescannte Unterschrift vor. Das hat beispielsweise das OLG Naumburg (Beschluss vom 04.10.2019, 7 Verg 3/19) schon ausdrücklich klargestellt. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Aufforderung einiger Auftraggeber, Vordrucke auszudrucken, zu unterschreiben und wieder einzuscannen, gegen Vergaberecht verstößt. Entsprechende Forderungen in öffentlichen Ausschreibungen sind also vergaberechtswidrig und können gerügt werden.
Was sollte die Vergabestelle tun?
Vergabestellen sind gut beraten, wenn sie ihre Vorgaben an die Form der Angebote, Teilnahmeanträge oder Interessenbekundungen eng an den maßgeblichen Vergabebestimmungen (z.B. § 53 VgV oder § 11 Abs. 4 VOB/A-EU) formulieren. Die Aufforderung, bestimmte Dokumente mit Unterschriftenfeld auszudrucken, zu unterschreiben und wieder einzuscannen, findet sich in den Vorgaben nicht. Eine solche Aufforderung widerspricht vielmehr der Textform im Sinne von § 126b BGB und muss unterbleiben. Der öffentliche Auftraggeber hat bei der eVergabe andere Möglichkeiten, um eine Erklärung eindeutig einer Person zuzuordnen (Stichworte: Signaturen und Siegel).
Die Vergabestelle kann auf die Einreichung der Angebote mithilfe elektronischer Mittel ausnahmsweise verzichten, wenn bestimmte Gründe vorliegen. Solche Gründe sind gegeben, wenn ein Auftraggeber für die Öffnung der Angebote besondere Software oder Hardware anschaffen müsste (z.B. weil die besondere Art der Ausschreibung Programme erfordert, die nicht mit allgemein verfügbaren Programmen kombinierbar sind, besondere Dateiformate verwendet werden oder benötigte Geräte zum Öffnen beim öffentlichen Auftraggeber allgemein nicht zur Verfügung stehen) oder wenn zugleich physische Modelle einzureichen sind (vgl. § 53 Abs. 2 VgV, § 11b Abs. 3 VOB/A-EU). Dann ist eine Angebotsabgabe auf dem Postweg oder einem „anderen geeigneten Weg“ möglich (z.B. persönliche Übergabe).
Welche Anforderungen kann die Vergabestelle stellen?
Die Vergabestelle kann bzw. muss die Angebotsabgabe in Textform vorgeben.
Außerdem kann die Vergabestelle das Sicherheitsniveau festlegen: Soweit das aus Sicherheitsgründen erforderlich ist, können öffentliche Auftraggeber verlangen, dass Interessenbekundungen, Teilnahmeanträge und Angebote mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur, einer qualifizierten elektronischen Signatur, einem fortgeschrittenen elektronischen Siegel der einem qualifizierten elektronischen Siegel zu versehen sind. Erhöhte Sicherheitsanforderungen liegen regelmäßig etwa bei der fristgebundenen Übermittlung von Daten vor, wie z.B. bei der fristgebundenen Einreichung der Angebote und Teilnahmeanträgen.
Tipp für die Praxis
Dieser Beitrag stammt von Dr. Corina Jürschik, Fachanwältin für Vergaberecht bei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte Partnerschaft mbB.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Im Bereich des Vergaberechts steht OPPENLÄNDER für ausgezeichnetes vergaberechtliches Know-how. Die Beratungspraxis umfasst die Begleitung von Bietern und öffentlichen Auftraggebern während des gesamten Vergabeverfahrens sowie die effektive Durchsetzung ihrer Rechte vor den Vergabenachprüfungsinstanzen.