Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind Sie als Auftraggeber an die Regelungen des Vergaberechts gebunden. Führen Sie ein Vergabeverfahren durch, begegnen Ihnen im Laufe des Verfahrens verschiedene Fristen. Diese Fristen müssen Sie einhalten, um Ihr Vergabeverfahren rechtssicher zu gestalten. Was Sie zu den Fristen in den wichtigsten Verfahrensarten wissen müssen, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Relevante Fristen in europaweiten Vergabeverfahren
I. Die Angebotsfrist und die Teilnahmefrist
Ein Vergabeverfahren beginnt in der Regel mit der Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung. Schon in der Bekanntmachung müssen Sie den Bietern mitteilen, bis wann diese ihre Angebote einreichen müssen. Diese Frist wird Angebotsfrist genannt.
Die Angebotsfrist beginnt am Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung. Wie lange Sie Bietern mindestens Zeit geben müssen für die Angebotserstellung, richtet sich nach der Verfahrensart. Wir schauen uns die beiden wichtigsten Verfahrensarten an.
Im offenen Verfahren müssen Sie Bietern im Regelfall mindestens 35 Tage Zeit für die Erstellung ihrer Angebote einräumen. Das ergibt sich für Liefer- und Dienstleistungsaufträge aus § 15 Abs. 2 VgV und für Bauaufträge aus § 10a Abs. 1 VOB/A EU. Können Angebote (wie praktisch immer) elektronisch abgegeben werden, dürfen Sie die Frist um 5 Tage auf 30 Tage verkürzen (§ 15 Abs. 4 VgV; § 10 Abs. 4 VOB/A EU). Noch kürzer darf die Frist nur sein, wenn eine hinreichend begründete Dringlichkeit vorliegt (§ 15 Abs. 3 VgV; § 10a Abs. 3 VOB/A EU). Auch in diesem Fall müssen Sie Bietern aber mindestens 15 Tage Zeit für die Angebotserstellung geben.
Im Verhandlungsverfahren beträgt die Angebotsfrist mindestens 30 Tage (§ 17 Abs. 6 VgV; §§ 10c Abs. 1, 10b Abs. 2 VOB/A EU). Können Angebote elektronisch abgegeben werden, dürfen Sie diese Fristen um 5 Tage auf 25 Tage verkürzen (§ 17 Abs. 9 VgV; §§ 10c Abs. 1, 10b Abs. 4 VOB/A EU). Bei hinreichend begründeter Dringlichkeit kann die Angebotsfrist auf 10 Tage verkürzt werden (§ 17 Abs. 8 VgV, §§ 10c Abs. 1, 10b Abs. 5 Nr. 2 VOB/A EU). Nur in wenigen Ausnahmefällen sind noch kürzere Angebotsfristen möglich.
Findet vor einem Verhandlungsverfahren ein Teilnahmewettbewerb statt, müssen Sie schon vor der Angebotsfrist eine weitere Frist beachten. In diesem Verfahren müssen Bieter einen Teilnahmeantrag einreichen, um überhaupt am Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Die Frist für den Eingang dieses Teilnahmeantrages wird Teilnahmefrist genannt. Sie beträgt im Regelfall 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung (§ 17 Abs. 2 VgV). Sie kann bei hinreichend begründeter Dringlichkeit auf mindestens 15 Tage verkürzt werden (§ 17 Abs. 3 VgV).
Während der Angebotsfrist können Bieter Fragen zum Vergabeverfahren stellen. Den Zeitraum, in dem Fragen gestellt werden können, dürfen Sie grundsätzlich begrenzen, indem Sie den Bietern eine Frist für den Eingang von Bieterfragen stellen. Sie selbst als öffentlicher Auftraggeber müssen im Umgang mit Bieterfragen allerdings auch eine Frist beachten. Beantworten Sie Bieterfragen nicht mindestens sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, müssen Sie die Angebotsfrist verlängern, wenn Sie mit der Antwort auf die Bieterfrage zusätzliche Informationen zum Vergabeverfahren bereitstellen (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 VgV).
Alle genannten Fristen sind Mindestfristen. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, den Bietern mehr Zeit für die Erstellung von Angeboten einzuräumen. Sowohl § 20 Abs. 1 VgV als auch § 10 VOB/A EU schreiben vor, dass der öffentliche Auftraggeber längere als die gesetzlich vorgesehenen Fristen einräumen muss, wenn das nötig ist. Das kann zum Beispiel bei besonders schwierigen Verfahren der Fall sein, oder während Urlaubszeiten und Feiertagen. Bei der Festlegung der Fristlänge müssen Sie die Komplexität der Leistung und die erforderliche Zeit für die Ausarbeitung der Angebote also immer berücksichtigen.
II. Die Zuschlags- und Bindefrist
Die Zuschlags- und Bindefrist ist ein und dieselbe Frist, allerdings aus zwei verschiedenen Perspektiven.
Für Sie als öffentlicher Auftraggeber meint die Zuschlagsfrist den Zeitraum, in dem Sie die Prüfung und Wertung der Angebote durchführen und nicht berücksichtigte Bieter nach § 134 GWB informieren müssen.
Für den Bieter meint die Bindefrist den Zeitraum, in dem er verbindlich an sein Angebot gebunden ist. Die Bindefrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist. Für Bauaufträge schreibt § 10 Abs. 8 VOB/A EU vor, dass die Bindefrist regelmäßig nicht mehr als 60 Kalendertage betragen soll. Die VgV enthält keine Regelung zur Bindefrist.
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III. Die Informations- und Wartepflicht/-frist
Haben Sie das wirtschaftlichste Angebot ausgewählt, müssen Sie die nicht berücksichtigten Bieter informieren. Das geschieht durch eine Information nach § 134 GWB bzw. § 19 Abs. 2 VOB/A EU. Den Zuschlag dürfen Sie allerdings erst nach Ablauf einer Wartefrist von 15 Tage nach Absendung dieses Schreibens erteilen (§ 134 Abs. 2 S. 1 GWB; § 19 Abs. 2 S. 3 VOB/A EU). Versenden Sie das Schreiben auf elektronischem Weg oder per Fax, dürfen Sie den Zuschlag schon nach 10 Tagen erteilen (§ 134 Abs. 2 S. 2 GWB; § 19 Abs. 2 S. 4 VOB/A EU). Die Frist soll es Bietern ermöglichen, Rechtsschutz gegen die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung zu suchen.
IV. Die „Bekanntmachungsfrist“
Als öffentlicher Auftraggeber müssen Sie nach Erteilung des Zuschlags noch eine weitere Frist beachten. Spätestens 30 Tage nach Vergabe eines öffentlichen Auftrags müssen Sie eine Vergabebekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union übermitteln (§ 39 Abs. 1 VgV; § 18 Abs. 4 VOB/A EU).
Fristen bei nationalen Vergabeverfahren
In nationalen Vergabeverfahren gibt es keine starren Mindestfristen. Teilnahme-, Angebots- und Bindefrist müssen allerdings „angemessen“ bzw. „ausreichend“ sein (§ 13 Abs. 1 UVgO; § 10 Abs. 1 VOL/A; § 10 VOB/A). Orientieren können Sie sich als öffentlicher Auftraggeber bei der Frage, welche Fristen „angemessen“ bzw. „ausreichend“ sind, an den Regelungen für europaweite Vergabeverfahren.
Fazit
Fristen in Vergabeverfahren müssen Sie einhalten, um Ihr Verfahren möglichst rechtssicher zu gestalten. Als öffentlicher Auftraggeber sollten Sie Fristen gleichwohl nicht nur als Verfahrensverzögerung betrachten. Es liegt vielmehr in Ihrem eigenen Interesse, Bietern durch angemessen lange Fristen die Erstellung hochwertiger Angebote zu ermöglichen.