„Leben, wo keiner Urlaub macht“ – Reutlingen überrascht mit frecher Kampagne
Reutlingen liegt häufig im Schatten der benachbarten Uni-Stadt Tübingen. Mit einer provokanten Werbekampagne rückt die Stadt nun ins Rampenlicht: Plakate mit Slogans wie „Leben, wo keiner Urlaub macht“ und „Nichts ist so langweilig wie ein aufregender Tag in Reutlingen“ hängen an vielen prominenten Orten der Stadt und sorgen für reichlich Gesprächsstoff.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Verwirrung und Unmut waren in den ersten Tagen die vorherrschenden Gefühle in der Reutlinger Bevölkerung. Doch hinter den umstrittenen Slogans steckt ein durchdachter Plan der Stadtverwaltung und des Stadtmarketings, wie am 17. Juni bekannt wurde. „Reutlingen kannst du nicht mögen“ wurde durch einen gelben Schriftzug „nur lieben“ ergänzt. Ein QR-Code auf den Plakaten führt nun zu Liebesgeschichten der Bürger:innen über ihre Stadt.
Stadtmarketing-Chefin Anna Bierig erklärt gegenüber dem Merkur, dass Reutlingen oft eine Liebe auf den zweiten Blick sei. „Hinter den Vorurteilen und der manchmal sogar vorhandenen Hassliebe zur eigenen Stadt verbirgt sich oft tief verwurzelte Zuneigung,“ so Bierig. Genau diesen Aspekt will die rund 25.000 Euro teure Kampagne betonen. Trotz anfänglicher Skepsis sind inzwischen viele überzeugt, dass die Kampagne ein voller Erfolg ist.
Provokation als Marketing-Strategie
Auch über die Stadtgrenzen hinweg sorgte die Aktion für Aufsehen. Der Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer postete ein Foto von einem der Plakate auf seinen Social-Media-Kanälen mit den Worten: „Das nenne ich mal Marketing. Auf die Auflösung kann man gespannt sein.“ Reutlingen setzt mit den beiden Phasen eine klassische Teaser-Kampagne um: Solche Kampagnen sollen zunächst viel Aufmerksamkeit erregen, um dann die eigentliche Botschaft zu verbreiten.
Die Strategie scheint aufzugehen. Die provokante Kampagne hat nicht nur die Aufmerksamkeit der Bürger:innen geweckt, sondern auch das Interesse von Menschen außerhalb der Stadt. Die vielfältigen Reaktionen in den sozialen Medien, von begeisterten Kommentaren bis hin zu scharfer Kritik, zeigen, dass ein Nerv getroffen wurde.
Mit Selbstironie zu mehr Sympathie
Reutlingen hat mit dieser Kampagne ein starkes Zeichen gesetzt. In einer Zeit, in der Städte oft um Aufmerksamkeit und Touristen kämpfen, zeigt Reutlingen, dass auch provokante und humorvolle Ansätze erfolgreich sein können. Die Stadt hat bewiesen, dass sie den Mut hat, sich selbst auf die Schippe zu nehmen und dabei ihre wahre Schönheit und Einzigartigkeit hervorzuheben.
Reutlingen hat es nicht nur geschafft, aus dem Schatten zu treten, sondern auch gezeigt, dass es oft die unerwarteten und mutigen Schritte sind, die die größte Wirkung erzielen. Ob die Kampagne langfristig die Wahrnehmung der Stadt verändert, bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Reutlingen ist bekannter als je zuvor und hat für viel Gesprächsstoff gesorgt – über die Stadt und darüber, was es bedeutet, sie zu lieben.