Neues Jahr, alte Vergabe: Das müssen Sie beim Jahreswechsel beachten
Bei einer Auftragsvergabe sind Sie an den beschlossenen und genehmigten Haushaltsplan und den darin enthaltenen Haushaltsmitteln gebunden. Diese verfallen grundsätzlich zum Ende des Haushaltsjahres. Somit erlischt auch prinzipiell die Rechtsgrundlage für eine Ausschreibung. Inwieweit Sie die Ausschreibung/Vergabe dennoch durchführen können und was Sie rechtlich dabei beachten sollten, lesen Sie im folgenden Beitrag.
Voraussetzungen für eine Ausschreibung bzw. Auftragsvergabe
Um eine Ausschreibung bzw. Vergabe durchführen zu können, bedarf es in der öffentlichen Verwaltung eines Haushaltsansatzes. Die Ansätze im Haushaltsplan gelten für ein Haushaltsjahr (§§ 79, 80 GemO). In der jeweils veranschlagten und genehmigten Höhe können die Mittel dann vom 01.01. bis zum 31.12. entsprechend eingesetzt werden.
Grundsätzlich können Sie Haushaltsansätze nicht in das nächste Haushaltsjahr übertragen (Grundsatz der Jährlichkeit und zeitlichen Bindung). Dies bedeutet, dass nicht verbrauchte Ausgabeansätze „verfallen“ und im neuen Haushaltsplan neu veranschlagt werden müssen.
Um die Haushaltswirtschaft aber flexibler zu gestalten, können Sie nicht verbrauchte bzw. noch verfügbare Haushaltsmittel (Aufwands- und Auszahlungsermächtigungen) auch in das nächste Haushaltsjahr übertagen (§§ 53 Abs. 2 Nr. 6, 61 Nr. 18 GemHVO). So kann eine noch nicht erfolgte Ausschreibung bzw. Vergabe prinzipiell auch im kommenden Jahr durchgeführt werden.
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Voraussetzungen, um eine Ausschreibung bzw. Vergabe im Folgejahr durchführen zu können
Damit eine Ausschreibung bzw. Auftragsvergabe im Folgejahr durchgeführt werden kann, müssen Sie die Haushaltsmittel als sogenannte Ermächtigungsreste in das Folgejahr übertragen. Ermächtigungsreste sind somit eine Ausnahme vom Grundsatz der zeitlichen Bindung (§ 21 GemHVO). Durch die Bildung eines Ermächtigungsrestes stehen Ihnen die nicht verbrauchten Haushaltsmittel auch noch im Folgejahr für den ursprünglichen Zweck zur Verfügung. Die Mittel „verfallen“ nicht und müssen folglich auch nicht neu veranschlagt werden.
Beispiel: Kauf eines Feuerwehrfahrzeugs, Planansatz 500.000 Euro.
Aus verschiedenen Gründen konnte die Bestellung des Fahrzeuges im abgelaufenen Haushaltsjahr nicht erfolgen. Der Ermächtigungsrest dient dazu, die noch vorhandenen 500.000 EUR ins Folgejahr mit zu nehmen. Damit kann dann die Ausschreibung und Vergabe entsprechend erfolgen, ohne dass die Mittel verfallen und im neuen Haushaltsjahr erneut in den Haushaltsplan aufgenommen werden müssen.
Unterschiedliche Arten der Übertragbarkeit
Ob und inwieweit nicht verbrauchte Haushaltsmittel in das nächste Jahr übertragen werden können, hängt von der jeweiligen Rechtsgrundlage ab. In folgenden Fällen ist im abgelaufenen Haushaltsjahr weder eine Ausschreibung, noch eine Vergabe erfolgt. Die Mittel stehen in vollem Umfang zur Verfügung, sogenannte Verfügungsreserve:
Übertragbarkeit kraft Gesetz
Die Übertragbarkeit kraft Gesetzes (§ 21 Abs. 1 GemHVO) gilt für sämtliche Ansätze für Auszahlungen von Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (Mittel für einen Schulbau, für den Straßenbau, etc.) sowie für Ansätze mit entsprechender Zweckbindung (z.B. verfügbare Mittel aus Stiftungen und Nachlässen oder wenn Zuschussmittel/Spenden noch zweckentsprechend verwendet werden müssen). Eine Beschlussfassung zur Übertragung wird nicht benötigt, die nicht verbrauchten Mittel werden kraft Gesetz automatisch übertragen. Diese Ansätze stehen jedoch maximal 2 Jahre bzw. bis zur Inbetriebnahme zur Verfügung.
Übertragbarkeit kraft Haushaltsvermerk (Festlegung im Vorhinein)
Bereits bei der Haushaltsplanerstellung kann durch einen Haushaltsvermerk die Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln (z.B. Mittel für die Digitalisierung an Schulen im Ergebnishaushalt) festgelegt werden. Dies ist nur notwendig, wenn eine „Übertragbarkeit kraft Gesetz“ nicht gegeben ist. Eine entsprechende Beschlussfassung erfolgt durch den Gemeinderat im Rahmen der Beschlussfassung zum Haushaltsplan. Eine weitere Beschlussfassung ist nicht notwendig.
Übertragbarkeit durch Beschlussfassung (Festlegung im Nachgang)
Auch im Nachgang können Haushaltsansätze übertragen werden, sofern diese nicht „kraft Gesetz“ oder per „Haushaltsvermerk“ bereits als übertragbar erklärt wurden. Dies erfolgt durch eine gesonderte Beschlussfassung im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses. Aus Vereinfachungsgründen können per Hauptsatzung / Zuständigkeitsordnung Wertgrenzen festgelegt werden, in welchen diese Zuständigkeit auf die Verwaltung delegiert wird. In diesen Fällen entfällt eine erneute Beschlussfassung.
Beispiel: Bei Jahresabschluss wird festgestellt, dass aus verschiedenen Gründen das Projekt „Neugestaltung der Ausbildungsmesse“ nicht umgesetzt werden konnte. Es stehen noch Haushaltsmittel in Höhe von 20.000 Euro zur Verfügung. Das Projekt soll im kommenden Jahr aber fortgeführt und umgesetzt werden.
Kann eine Vergabe im Folgejahr erfolgen, wenn die Ausschreibung bereits getätigt ist?
Mit einer erfolgten Ausschreibung sind Sie bereits eine gewisse Rechtsverpflichtung zur Auftragsvergabe eingegangenen. Sollte eine Auftragsvergabe im laufenden Haushaltsjahr nicht (mehr) möglich sein, sind diese Mittel grundsätzlich immer übertragbar. Zuständig ist hier der Bürgermeister bzw. der Fachbedienstete für das Finanzwesen (§ 116 GemO). Hierbei handelt es sich im Rahmen der Bewirtschaftungsbefugnis um den Vollzug bereits getroffener Sachentscheidungen und damit um bereits gebundene Mittel, sogenannte Verpflichtungsreserve (§ 43 Abs. 1 GemO).
Was ist zeitlich zu beachten?
Damit Sie eine Vergabe tätigen dürfen, muss die Finanzierung der Maßnahme gesichert sein. Das bedeutet, dass die notwendigen Haushaltsmittel vor der Vergabe verfügbar sein müssen, also die Übertragung in das Folgejahr bereits rechtskräftig erfolgt ist.
In Fällen der „Übertragbarkeit kraft Gesetz“, „Übertragbarkeit kraft Haushaltsvermerk“ sowie der „Übertragbarkeit durch Beschlussfassung (Festlegung im Nachgang) durch die Verwaltung“ stellt dies kein Problem dar.
In den Fällen der „Übertragbarkeit durch Beschlussfassung (Festlegung im Nachgang) durch den Gemeinderat“ kann eine Ausschreibung erst dann erfolgen, wenn die Beschlussfassung durch den Gemeinderat erfolgt ist. In diesen Fällen müssen Sie entscheiden, ob sie einen separaten Gemeinderatsbeschluss für die Übertragung von Ermächtigungsresten vor dem Jahresabschluss (z.B. mit der Vergabe der Maßnahme) vom Gemeinderat einholen, oder ob es ggfs. im Zuge der Aufstellung des Jahresabschlusses zeitlich ausreichend ist.
Warum nicht die Mittel neu veranschlagen?
Grundsätzlich können Sie auch die Mittel für das neue Haushaltsjahr neu anmelden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Mittelanmeldung für das künftige Haushaltsjahr bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, zu welchem in den meisten Fällen noch gar nicht bekannt ist, dass sich die Ausschreibung und Vergabe entsprechend verschieben wird (Mittelanmeldungen erfolgen i.d.R. bereits im Sommer für das kommende Haushaltsjahr). Ebenfalls ist dann zu beachten, dass die Mittel erst nach der Rechtskraft des künftigen Haushaltsplanes bewirtschaftet werden dürfen (i.d.R. nicht vor März).
Bitte beachten Sie in der Zeit bis zur Rechtskraft die Bestimmungen zur vorläufigen Haushaltsführung (Interimswirtschaft) gemäß § 83 GemO.
Was muss noch beachtet werden?
Wenn Sie Ausgabemittel in das Folgejahr übertragen, fehlen diesen Positionen grundsätzlich die Finanzierungsmittel. Diese waren ja auch im alten Haushaltsplan veranschlagt. Deshalb ist in Fällen der Übertragung zwingend zu prüfen, ob Mittel zur Finanzierung des Ausgabeansatzes z.B. Planansätze für Landeszuschüsse oder eine Darlehensermächtigung ebenfalls ins Folgejahr übertragen werden müssen.
Fazit
Halten wir also fest, dass Sie eine Ausschreibung oder Vergabe trotz Jahreswechsel grundsätzlich noch durchführen können. Die Haushaltsmittel sind nicht „verloren“. Es ist wichtig, dass Sie darauf achten, ggf. frühzeitig einen Übertragungsbeschluss herbeizuführen (kann auch schon im aktuellen Haushaltsjahr erfolgen), um rechtzeitig handlungsfähig zu sein.
Heike Wechs ist Leiterin der Stadtkämmerei Stadtkreis Heilbronn. Die studierte Verwaltungswirtin (FH) und BBA (Steinbeis) war als Kassenverwalterin und stellv. Personalamtsleiterin in Balingen tätig. In den Gemeinden Ilsfeld und Sulzbach an der Murr arbeitete sie als Fachbeamtin für das Finanzwesen. Zudem war sie Leiterin des Rechnungsprüfungsamts der Stadtverwaltung Mosbach.
Peter Schäfer ist Dezernent für Finanzen, Personal und Beteiligungen des Rems-Murr-Kreises und seit vielen Jahren im Bereich der öffentlichen Finanzen tätig. Zudem ist er langjähriger Dozent und Lehrbeauftragter bei verschiedenen Aus- und Fortbildungsträgern. Darüber hinaus ist er Autor/Kommentator des Werkes „Das Gemeindewirtschaftsrecht in Baden-Württemberg“ des Kohlhammerverlages.