„Kein Kohlestrom in meiner Gemeinde!“: Was Sie im Netz sagen dürfen
Blau-gelbe Profilbilder, Likes zu Windrädern auf Gemeindegebiet, Äußerungen gegen Strom aus Kohle oder gegen getunte Autos vor der Szenekneipe: Auch für lokale oder regionale Institutionen liegt die Äußerung einer politisch motivierten Meinung heute nahe, vor allem in der Meinungsvielfalt der sozialen Medien. Doch wo liegen die Grenzen? Darf sich Ihre Institution frei zu jedem Thema äußern? Der folgende Beitrag zeigt die Grenzen auf, in denen sich Meinungsäußerungen Ihrer Institution online bewegen müssen.
Regel1: Es muss eine Zuständigkeit Ihrer Institution bestehen
Wesentlicher Bestandteil der Arbeit Ihrer Institution ist die Darlegung und Erläuterung Ihrer Arbeit. Das gilt vor allem für beschlossene Maßnahmen und künftige Vorhaben, bestehende oder sich abzeichnende Probleme. Auch die sachgerechte, objektiv gehaltene Information zu Fragen Ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie wichtige Vorgänge auch außerhalb oder im Vorfeld der eigenen gestaltenden Tätigkeit können dazu gehören. Dies ist von den Gerichten anerkannt. Maßgeblich ist insoweit der Ihrer Institution gesetzlich vorgezeichnete Kompetenzbereich. Dieser beschränkt aber auch die Äußerungsbefugnis. Das heißt also: Die Zuständigkeit Ihrer Institution beschränkt Ihre Äußerungsbefugnis. Dies gilt auch für den Internetauftritt und für Stellungnahmen aller Art in sozialen Medien.
Likes zu Windrädern oder tadelnde Äußerungen zu getunten Autos vor der Szenekneipe sind im Namen Ihrer Institution daher nur zulässig, wenn diese Fragen zur Zuständigkeit Ihrer Institution gehören.
Aktuelle Relevanz bekommt diese Vorgabe etwa mit dem Hashtag #StandWithUkraine – unter dem seit dem Frühjahr zahlreiche Kommunen Solidarität mit der Ukraine bekunden. Nüchtern rechtlich betrachtet, ist eine solche Meinungsäußerung einer Institution nur zulässig, wenn sie einen spezifischen örtlichen Bezug besitzt. Dieser Bezug kann darin liegen, dass eine Kommune eine große Zahl von ukrainischen Kriegsflüchtenden aufnimmt oder in anderer Weise betroffen ist. Lässt sich kein solcher Bezug herstellen, ist die Äußerung unzulässig.
Tipp
Regel 2: Ihre Institution darf auch online Stellung nehmen
Ihre Institution ist nicht darauf beschränkt, in amtlichen Verkündungsblättern und klassischen Kommunikationsformen (wie z.B. Pressekonferenzen) Stellung zu nehmen. Informationen und Meinungen erreichen die Bevölkerung am besten dort, wo sie sich aufhält. Für einen Großteil der Bevölkerung sind das Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram, LinkedIn & Co., entsprechend sind wir heute an Mitteilungen der Polizei, der Kommune (z.B. über Veranstaltungen), des Betreibers des öffentlichen Nahverkehrs oder des Stromnetzbetreibers auf Twitter gewöhnt.
Tipp
Wie jedes Verwaltungshandeln ist auch der Auftritt im Internet und in sozialen Medien an die Einhaltung von Gesetz und Recht gebunden. Ihre Institution muss sich daher bei Äußerungen im Internet, insbesondere in sozialen Medien, an das Datenschutzrecht sowie die Gebote der Neutralität, Sachlichkeit und Richtigkeit halten. Außerdem gilt das Zurückhaltungsgebot. Gerade die Nutzung verschiedener sozialer Netzwerke durch die öffentliche Hand steht unter kritischer Beobachtung der Datenschutzbehörden. Eine Nutzung von Twitter ist datenschutzrechtlich möglich, bei Plattformen des Google Konzerns (YouTube) oder von Meta (Instagram, WhatsApp) ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen.
Regel 3: Das Sachlichkeitsgebot
Staatliche Äußerungen sollen in erster Linie objektive Informationen bereitstellen, nicht subjektive Meinungen vermitteln. Jedes Handeln einer Institution muss sich daher am Gebot der Sachlichkeit orientieren. Das Tätigwerden in amtlicher Eigenschaft schließt eine Meinungskundgabe zwar nicht aus. Aber auch Meinungsäußerungen dürfen nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen. Sie müssen auf einem zutreffenden Tatsachenkern aufbauen, sachlich formuliert sein und eine angemessene Reaktion auf den beurteilten Vorgang darstellen.
Doch der Post Ihrer Institution muss deswegen noch lange nicht trocken und bieder sein. Im Gegenteil: Auch wenn für einen Post Ihrer Institution auf Social Media wegen des Sachlichkeitsgebotes eine gewisse Nüchternheit notwendig ist, dürfen Sie auch als Institution lebendig und mit ein wenig Humor an die Sache herangehen, weil nur so der Sinn der Öffentlichkeitsarbeit im Internet erfüllt werden kann. Die maßvolle Nutzung von Emojis ist dabei erlaubt, jedoch nur, soweit diese einen noch irgendwie sachlichen Inhalt haben (also z.B. keinen „Kothaufen“ posten).
Besonders relevant ist das Gebot der Sachlichkeit insbesondere dann, wenn sich staatliche Stellen bewusst humoristisch oder satirisch äußern. Bekannt wurde ein Tweet der Polizei Braunschweig „Gerade ist der Funk etwas ruhiger. Zeit für das Mittagessen und Schreibkram. #ruhevordemsturm.“, darunter ein bewusst komisches Foto, auf dem ein Polizeibeamter mit einem Ast ein Auto anstupst, begleitet von den Worten „Los jetzt… Mach illegalen Scheiß“. Der Post bezweckte nicht sachliche Information, sondern primär Unterhaltung und sollte nur einen Zuwachs an Reichweite bringen. Mit dem Sachlichkeitsgebot stand der Tweet indes nicht in Einklang.
Tipp
Regel 4: Das Neutralitätsgebot
Im Verhältnis zu politischen Parteien und zu den auf kommunaler Ebene aktiven politischen Gruppierungen muss Ihre Institution stets den Grundsatz politischer Neutralität beachten. Dies gilt auch für Bürgermeister:innen. So hat die Rechtsprechung beispielsweise Aufforderungen von Bürgermeister:innen zur Gegendemonstration ebenso als rechtswidrig betrachtet wie den Post „rote Karte für die X Partei“.
Beachten Sie, dass schon die Nutzung einer spezifischen Kommunikationsplattform eine Verletzung des Neutralitätsgebots darstellen kann: Posten Sie daher nicht auf einer Plattform von Windkraftgegnern, Befürwortern von Bauprojekten oder Bürgerinitiativen. Dies gilt auch, wenn es um vermeintlich unstreitige Ziele wie den Klimaschutz oder die Missbilligung von Krieg geht.
Tipp
Regel 5: Das Zurückhaltungsgebot
Das Zurückhaltungsgebot verlangt, dass staatliche Kommunikation sich im Rahmen des Erforderlichen hält. Übertriebene Äußerungen oder überschwängliche Posts sind daher unzulässig. Außerdem sind politische Statements im zeitlichen Zusammenhang mit Wahlen nicht erlaubt. Jegliche parteiübergreifende Einwirkung auf die Wahl muss unterbleiben.
Schöne Beispiele, die das Zurückhaltungsgebot in den Blick rücken, boten Tweets der Münchener Polizei: Ein Foto, das eine Polizeibeamtin mit einer Katze abbildete und dem Text: „Mietzbert back! Nachdem sich der Polizeikater eine Auszeit vom stressigen Polizeialltag genommen hat, ist er jetzt wieder pflichtbewusst zurück in der Polizeidienststelle 2 (Au).“ Das war nicht nur recht unsachlich, sondern auch wenig zurückhaltend. Wenig zurückhaltend war auch der Post: „Wenn sich ein augenscheinlicher Hipster vor lauter Rausch vollgepinkelt hat, ist er dann ein Dripster? #Wiesnwache“.
Tipp
Regel 6: Unterscheiden Sie: Auftritt der Institution/der Funktionsträger:in persönlich
Wollen sich Funktionsträger:innen, beispielsweise Bürgermeister:innen, Minister:innen oder Vorstände öffentlicher Unternehmen äußern, ohne an das beschriebene strenge Korsett gebunden zu sein, müssen sie das auf ihren persönlichen (privaten) Accounts tun. In der Praxis fällt es jedoch schwer, den privaten Account von dem institutionellen Account zu unterscheiden.
Für ein Tätigwerden in amtlicher Funktion sprechen nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Benennung (ggf. auch Verifizierung) des Accounts, ggf. unter Rückgriff auf Staatssymbole und Hoheitszeichen (z.B. Wappen), die inhaltliche Sachnähe, die ausdrückliche Bezugnahme, die Verwendung öffentlicher sachlicher oder finanzieller Mittel (bspw. bei einer aus dem Etat der Landesregierung finanzierten Kampagne) sowie die amtliche Form der Äußerung. Die äußernde Stelle beansprucht damit erkennbar staatliche Autorität. Maßgeblich ist die Sicht der jeweiligen Nutzer:innen der Social-Media-Plattformen.
Das Problem der Unterscheidung der beiden Sphären stellt sich besonders bei Äußerungen von Bürgermeister:innen in den Sozialen Medien. Die Rechtsprechung beschäftigte wiederholt der Aufruf zu Gegendemonstrationen durch Bürgermeister:innen. Während der Aufruf seitens Privatpersonen grundrechtlich geschützt ist, sind staatliche Stellen den genannten Geboten verpflichtet.
Regel 7: Achtung Persönlichkeitsrechte!
Für alle elektronischen Beiträge, unabhängig davon, ob sie Ihrer Institution, der konkreten Amtsperson oder Ihren Bürger:innen zuzuordnen sind, gilt, dass auch in sozialen Medien die Persönlichkeitsrechte Dritter und der Datenschutz gewährleistet sein müssen. Sie dürfen keine Personen anprangern, indem Sie beispielsweise deren Foto mit einer kritisierenden Bemerkung retweeten. Gleiches gilt für personenbezogene Informationen.
Exemplarisch dafür steht der Facebook-Post, für den Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer im vergangenen Jahr Kritik erntete. Mit einem Kommentar zu einem von ihm geposteten Foto des ehemaligen Fußball-Profis Dennis Aogo trug Palmer öffentlich und in seiner Funktion als Oberbürgermeister Rassismen weiter und brachte Aogo darüber hinaus mittelbar in Misskredit.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Die Beratungspraxis umfasst sämtliche Bereiche des Wirtschaftsrechts. Dies gilt insbesondere auch für das Recht der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.