Ob psychosoziale Unterstützung, praktische Entwicklungstipps oder konkrete Hilfe beim nächsten Karriereschritt – professionelles Mentoring ist einer der erfolgreichsten Wege bei der Entwicklung von Führungskräften. Das in den USA entwickelte Instrument der Personalentwicklung, das gerade Frauen darin unterstützt, außerhalb ihrer Komfortzone ein Risiko einzugehen und damit Erfolg zu haben, ist dort wesentlich weiter verbreitet als in Deutschland. Schade eigentlich.
Weibliche Führungskräfte – davon hat der öffentliche Dienst immer noch zu wenige, oder genauer gesagt: Es fehlen noch 10 Prozentpunkte bis zur hälftigen Teilung der Führungspositionen unter den Geschlechtern. Mit den beiden FüPoG-Gesetzen I und II („Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“), die 2015 und 2021 in Kraft traten, sollte sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes und in Gremien des Bundes erhöhen. Der Bund setzte sich mit dem Zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) sehr ambitionierte Ziele: Bis Ende 2025 sollen in der Bundesverwaltung 50 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt sein.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben die obersten Bundesbehörden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, wie Führungskräfteseminare für Frauen, den Ausbau von Führung in Teilzeit und Mentoring. Gerade Mentoring hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Studien als erfolgreiches Verfahren auf dem Weg zu mehr Frauen in Führungspositionen erwiesen. In den USA, dem Mutterland des Mentorings, schwören sogar viele Top-Managerinnen, wie die langjährige Vorstandsvorsitzende von IBM, Ginni Rometty, oder die aktuelle Chefin der General Motors Company (GM), Mary T. Barra, auf Mentoring: „Ohne Mentoring hätte ich meine jetzige Position als Vorstandsvorsitzende von GM nie erhalten“, so Barra in einem Interview 2018.
Lesetipp
Lesen Sie hier, welche Kriterien erfüllt werden müssen, damit ein Führungskräfte-Coaching erfolgreich wird.
„Alter Hut“: Definitionen eines bewährten Konzepts
Das Konzept kommt ursprünglich aus der griechischen Antike: Mentor ist der Freund von Odysseus in Homers Odyssee. Als Odysseus in den trojanischen Krieg ziehen muss, bittet er Mentor, sich um seinen Sohn Telemachos zu kümmern und diesen auf die spätere Rolle als König von Ithaka vorzubereiten. Mentor steht Telemachos in den folgenden Jahren als väterlicher Freund zur Seite. Mit seiner Hilfe kann Telemachos den Thron von Odysseus erfolgreich verteidigen.
Nach Gablers Wirtschaftslexikon ist Mentoring ein Instrument der Personalentwicklung. Im beruflichen Kontext bezeichnet es die Tätigkeit einer erfahrenen Person, oft einer Führungskraft in der Rolle des Mentors oder der Mentorin, die eine lernbereite Nachwuchskraft als Mentee an Wissen und Erfahrungen teilhaben lässt. Ziel des Mentoring ist es, die Mentees darin zu unterstützen, ihre Fach- oder Führungskarriere zu entwickeln und ihr aktuelles berufliches Handeln zu reflektieren. Darüber hinaus erhalten die Mentees Zugang zu wichtigen Netzwerken, lernen Entscheiderinnen und Entscheider der Organisation kennen sowie ausgesprochene und unausgesprochenen Regeln.
Wenig Mentoring in der öffentlichen Verwaltung – zu wenige Frauen in Führungspositionen
In Deutschland haben wir in Sachen Führungspositionen im öffentlichen Dienst und oberste Behördenleitung noch Nachholbedarf: Jährlich steigt zwar der Anteil von Frauen an Führungspositionen in den obersten Bundesbehörden an, allerdings bloß um etwa einen Prozentpunkt pro Jahr (1999: 19,3 %, 2009: 29,9 %, 2019: 37,6 %, 2021: 39,6 % – vgl. Statistisches Bundesamt, 2022).
Daher erscheint das Ziel, von 40 Prozent im Jahr 2021 auf 50 Prozent im Jahr 2025 zu kommen, eigentlich unerreichbar. Dazu kommt, dass die empfohlenen Fördermaßnahmen in den Behörden und Dienststellen kaum praktiziert werden: Die Evaluation der Auswirkungen des FüPoG-Gesetzes ergab, dass von den 115 Behörden und Einrichtungen der unmittelbaren Bundesverwaltung nur 13, also gerade einmal jede zehnte Behörde, Mentoring-Programme etabliert haben.
Expertise empfiehlt Mentoring
Das Evaluationsgutachten zum Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) kam zu dem Ergebnis, dass Mentoring ein durchaus wirksames Instrument sei, um insbesondere Frauen in Führungspositionen zu fördern. Voraussetzung sei dabei allerdings, dass die Mentorin oder der Mentor in keinem Vorgesetztenverhältnis zur Mentee steht. Mentoren sollten ihren eigenen beruflichen Einfluss einsetzen, um die berufliche Entwicklung der Mentee zu fördern.
Zudem zeigt die Erfahrung der Expertinnen und Experten, dass ein Mentoringprogramm außerhalb des eigenen Unternehmens, also das sogenannte „Crossmentoring“, ein gutes Modell darstellt. Dies fördert den Aufbau eines Netzwerks und einen umfassenderen und branchenübergreifenden Erfahrungsaustausch. Erfreulich war auch ein unerwartetes Ergebnis der Evaluation: Nicht nur die Mentees profitieren vom Mentoring, sondern auch die Mentorinnen und Mentoren. Die Mehrheit berichtete von einer Bereicherung durch einen besseren Einblick in andere Abteilungen, von einem besseren Verständnis einiger Defizite in der Organisation und schließlich von einem persönlichen Zugewinn an Feedback-Kompetenzen.
Vorzeige-Beispiele
In der öffentlichen Verwaltung gibt es allerdings auch schon gute Beispiele, wie Mentoring erfolgreich zu mehr Chancengleichheit von Männern und Frauen bei ihrer Karriereentwicklung beiträgt und mehr Frauen für Führungspositionen gewinnt und vorbereitet. Die Universität Mainz hat verschiedene Mentoring-Programme in der öffentlichen Verwaltung begleitet und evaluiert.
Landesregierung Thüringen – Konzept für ein Mentoring-Programm
Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales (TMIK) bietet das Mentoring-Programm „Mehr Frauen in Führungspositionen“ den obersten Landesbehörden an. Die ersten beiden Durchgänge 2017 und 2019 sind erfolgreich durchgeführt worden. Die Evaluation ergab einen Anstieg des Anteils an Frauen in Führungspositionen, und darüber hinaus verbesserte sich die Arbeitgeberattraktivität durch die prominente Vermarktung dieses Angebots.
Allerdings zeigte sich auch, dass eine Weiterführung des Programms dringend notwendig ist, denn eine echte Geschlechter-Parität der Führungspositionen in der Landesregierung gab es erst in der Staatskanzlei und im Bildungsministerium. Daher startete 2022 der dritte Jahrgang. Die Broschüre „Mentoring III“ ist nicht nur eine hilfreiche Handlungsanleitunginklusive Konzept mit Vorgehensweise und Zeitplanung, sondern auch ein „Motivationsbooster“, denn sie lässt auch Mentees und ihre Mentorinnen und Mentoren als Testimonials zu Wort kommen.
Das Konzept sieht vor, dass als Mentees alle weiblichen Bediensteten des höheren Dienstes der obersten Landesbehörden – mindestens Besoldungsgruppe A 14 und vier Jahre Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung – teilnehmen können. Sie bekunden ihr Interesse mit einem Motivationsschreiben und Lebenslauf an das ressortübergreifende Fortbildungsreferat des Innenministeriums. Führungskräfte, die an der Rolle als Mentor oder Mentorin interessiert sind, sollten bereits mehrere Jahre Führungserfahrung und mindestens den Status der Besoldungsgruppe A 16 haben, an der Förderung von Chancengleichheit und an Personalentwicklung interessiert sein.
Die Dauer des Mentoring-Programms hat das zuständige Fortbildungsreferat auf etwa eineinhalb bis zwei Jahre festgelegt. Teilnehmen können maximal 12 Mentees. Beim Matching-Prozess achtet das Fortbildungsreferat darauf, dass Mentee und ihre Mentorin oder ihr Mentor nicht in einer hierarchischen Beziehung zueinanderstehen. Daher werden ausschließlich ressortübergreifende Tandems gebildet (Cross-Over).
Jede Mentorin und jeder Mentor betreuen nur eine Mentee. Zu Beginn der Tandembeziehung vereinbaren die Tandems in schriftlicher Form Vertraulichkeit sowie die Ziele und Erwartungen. Das Begleitprogramm umfasst eine Kick-off-Veranstaltung, in der die Tandems auf ihre Rollen vorbereitet werden und eine Abschlussveranstaltung. Zusätzlich sieht das Begleitprogramm Qualifizierungen in Führungsfragen vor sowie individuelle Coachings, um die Führungskompetenzen weiterzuentwickeln.
Landesregierung Rheinland-Pfalz – Tipps zum Ablauf eines Mentoring-Programms
Das Mentoring-Programm „Mehr Frauen an die Spitze!“ hat das rheinland-pfälzische Frauenministerium im Jahr 2009 ins Leben gerufen und startete 2010 mit 17 Mentees in die erste Programmrunde. Alle Ressorts sowie die Landtagsverwaltung und die Staatskanzlei haben sich von Beginn an beteiligt.
Von Anfang an hat die Universität Mainz das Programm begleitet und evaluiert. Ziel der Evaluation war es, die Wirksamkeit der drei Teilbereiche des Mentoring-Programms – Qualifizierung, Mentoring-Beziehung und Vernetzung – zu ermitteln. Jeweils zu drei Zeitpunkten – vor dem Start, nach Beendigung und ein Jahr nach dem Abschluss wurden die Mentees und eine Kontrollgruppe befragt und die Daten ausgewertet.
Eine solche Qualitätssicherung ist der Landesregierung wichtig, um das Programm kontinuierlich verbessern zu können, denn es ist langfristig angelegt. Die aktuelle Broschüre von 2021 erläutert den Prozessablauf von der Auswahl über das Matching, die Durchführung bis zum Abschluss eines Mentoring-Durchgangs.
Der Kern des Mentoring-Programms ist die Beziehung zwischen Mentee und Mentorin oder Mentor, die sogenannte Tandem-Beziehung. Beim Matching-Prozess ist es wichtig, darauf zu achten, dass beide Personen nicht in einer direkten Arbeitsbeziehung stehen, also „hierarchiefrei“ ein hohes gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufbauen können.
Die Tandems treffen sich in regelmäßigen Abständen und nach eigener Absprache zu persönlichen Gesprächen. Themen sind Führung, Kommunikation und Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz, Austausch über das Arbeitsfeld öffentlicher Dienst, methodisches Know-how sowie die berufliche und persönliche Weiterentwicklung der Mentee. Das Mentoring ist eingebettet in ein Rahmen- und Seminarprogramm.
Den Rahmen bildet die Auftakt- und Abschlussveranstaltung, die das gesamte Programm zu Beginn vorstellt und zum Abschluss Bilanz zieht. Die Einführungsveranstaltung dient dazu, beide Seiten auf ihre Rollen vorzubereiten und ein erstes Kennenlernen zu ermöglichen.
Begleitend erhalten die Mentorinnen und Mentoren zusätzliche Coachingangebote, um auftretende Fragen zu klären und sich mit den anderen Mentorinnen und Mentoren auszutauschen. Die Mentees erhalten Tipps und Beratungsangebote zur Übernahme einer zukünftigen Führungsrolle. Sie können an Workshops zu den Themen Verhandlungstraining, Stimm- und Sprechtraining, Selbstmarketing und Sichtbar-Werden teilnehmen.
Zusätzlich fördern die regelmäßig stattfindenden Netzwerkveranstaltungen und Lunchtalks den Austausch aller Programmteilnehmenden untereinander, schaffen die Möglichkeit des Erfahrungsaustauschs und der Vernetzung. Der Terminplan 2023 für die 13. Runde des Mentoring-Programms der Landesverwaltung mit chronologischem und prozessualem Ablauf wurde soeben veröffentlicht.
Fünf Tipps für die erfolgreiche Durchführung
Die evaluierten Beispiele aus der Praxis zeigen, was für die erfolgreiche Durchführung eines Mentoring-Programms notwendig ist:
- Professionelles Matching durchführen: Für den Erfolg ist es wichtig, dass die Tandempartner zueinander passen. Formal dürfen sie keine direkte Arbeitsbeziehung zueinander haben, also beispielsweise nicht in derselben Abteilung arbeiten, und persönlich muss die „Chemie stimmen“, damit ein Vertrauensverhältnis entstehen kann.
- Vertrauen aufbauen und Vertraulichkeit zusichern: Mentee und ihre Mentorin oder ihr Mentor müssen sich gegenseitig Vertraulichkeit zusichern, dass nichts aus ihrem Prozess nach außen getragen wird. Denn nur dann kann ein Vertrauensverhältnis entstehen, was ermöglichen wird, auch heikle Themen zu bearbeiten.
- Interessierte Haltung zeigen: Die Mentee muss wirklich an ihrer Weiterentwicklung interessiert sein und die Bereitschaft mitbringen, auch Aufgaben außerhalb ihrer „Komfortzone“ zu meistern. Die Mentorin und der Mentor müssen an der Förderung von Chancengleichheit sowie an Personalentwicklung interessiert sein und die Bereitschaft mitbringen, regelmäßig Zeit für das Mentoring und den Feedbackprozess zu investieren.
- Begleitprogramm organisieren: Zum Erfolg des Mentoring trägt auch ein Begleitprogramm bei, das die Tandems mit (teilweise obligatorischen) Qualifizierungsangeboten, Coachings und Erfahrungsaustauschtreffen darin unterstützt, ihre Rollen professionell zu erfüllen und ihre Kompetenzen zu vergrößern.
- Evaluation sicherstellen: Um den Erfolg des Mentorings zu sichern, ihn sichtbar zu machen und für künftige Durchgänge weiter zu vergrößern, ist es wichtig, den gesamten Prozess von Anfang an zu evaluieren. Dabei geht es nicht nur um die einzelnen Prozessschritte wie das Matching, die regelmäßigen Treffen und das Begleitprogramm, sondern auch die längerfristigen Erfolge ein oder zwei Jahre nach dem Durchgang.
Fazit
Mentoring ist eines der erfolgreichsten Personalentwicklungsinstrumente, gerade bei der Führungskräfteentwicklung von Frauen und als Methode, um Frauen für Führungspositionen zu motivieren. Dennoch wird es in der öffentlichen Verwaltung noch längst nicht flächendeckend eingesetzt. Dabei hat sie sich sehr ambitionierte Ziele bei der Gleichstellung der Geschlechter hinsichtlich der Besetzung von Führungspositionen vorgenommen: Bis Ende 2025 sollen die Hälfte aller Führungspositionen in den obersten Bundesbehörden mit Frauen besetzt sein.
Doch eine Auswertung der eingesetzten Fördermaßnahmen ergab, dass nur gut jede zehnte Behörde, also 13 von den 115 obersten Behörden ein Mentoring-Programm etabliert hat. Gute Vorbilder können aber zeigen, wie es erfolgreich funktioniert. Für die Nachzügler heißt es dann: kopieren erwünscht!