Eignungsdiagnostik im Personalwesen: „Es steckt viel mehr dahinter als ein psychologischer Test“
Eine Stelle passgenau zu besetzen, ist auch in der Behörde nicht einfach. Wir haben mit der erfahrenen Personalberaterin Sandra Fröhlich über die Potenziale der Eignungsdiagnostik gesprochen. Im Interview verrät sie uns, wie Behörden mit der Methode den langfristigen Erfolg von Personalbesetzungen deutlich steigern können.
Liebe Sandra, worum geht es denn bei der Eignungsdiagnostik?
Grundsätzlich geht es darum, berufsbezogene Persönlichkeitsaspekte wie Verhalten, Motivation, Fähigkeiten, Interessen und Stärken zu erfassen. Das Ziel ist, herauszufinden, ob das Potenzial einer Person zur jeweiligen Position passt. Dabei streben wir an, eine präzise Vorhersage darüber zu treffen, ob ein:e Kandidat:in eine bestimmte Rolle erfolgreich ausfüllen wird.
Gleichzeitig ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Person in dieser Rolle auch glücklich sein wird. Das trägt zur Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung bei.
Der Begriff klingt ja ein bisschen medizinisch. Wie darf man sich das in der Praxis denn vorstellen?
Es kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Diagnostik umfasst nicht nur ein psychologisches Verfahren, sondern es geht um ein umfassendes standardisiertes Verfahren zur Eignungsmessung. Oft wird nur der psychologische Aspekt wahrgenommen, aber es steckt mehr dahinter. Dazu gehören auch strukturierte Interviews und die Analyse von Unterlagen wie Lebenslauf, Zeugnissen und Referenzen. Diese werden durch psychologische Methoden ergänzt.
Die Einsatzgebiete der Eignungsdiagnostik reichen von Platzierungen über Teamentwicklung bis zur Führungskräfteentwicklung und dem Assessment, also um den Stand eines Teams zu bewerten. Und in der Tat, das ist schon ein bisschen vergleichbar mit der Anamnese beim Arzt.
Das klingt nach einem aufwendigen Prozess. Welche Vorteile ergeben sich für Behörden durch die Eignungsdiagnostik?
Behörden haben auch die besondere Verpflichtung, Stellenbesetzungen rechtssicher durchzuführen. Abgelehnte Kandidat:innen haben einen Auskunftsanspruch, weshalb dokumentierte und nachvollziehbare Begründungen für Ablehnungen in diesem Zusammenhang erforderlich sind. Die Diagnostik hilft dabei, die Entscheidungsfindung objektiver zu gestalten und gleichzeitig nachvollziehbar und rechtssicher zu dokumentieren. Klagerisiken werden dadurch deutlich reduziert.
Aber Behörden verringern nicht nur die Prozessrisiken. Die Diagnostik schafft Objektivität und Vergleichbarkeit. Das steigert die Akzeptanz der Personalentscheidungen und hat auch positive Auswirkungen nach innen.
Außerdem ergeben sich Kosteneinsparungen, weil sich die Erfolgswahrscheinlichkeiten bei Neubesetzungen insgesamt erhöht.
Welche Methoden und Tools haben sich deiner Erfahrung nach als besonders effektiv erwiesen?
Essenziell ist die Kombination mehrerer Instrumente: Dokumente bilden die Grundlage für Gespräche, in denen beispielsweise über Wechselmotivationen und Fähigkeiten gesprochen wird. Im Anschluss können Persönlichkeitsmerkmale genauer betrachtet werden. Das gelingt über die Tests. Gespräche, Dokumentenanalyse und psychologische Verfahren ergänzen sich also.
Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass die psychologischen Verfahren auf modernen wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen basieren. Denn es gibt zahlreiche Verfahren auf dem Markt, aber einige sind kritisch zu betrachten. Es fehlt ihnen an der wissenschaftlichen Grundlage. Hier ist Vorsicht geboten!
Außerdem sollten die Verfahren berufsbezogen sein und nicht ins Private zielen. Ich kann das „Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung“ (BIP) empfehlen. Die Methode wurde von HR-Expert:innen gemeinsam mit der Forschung entwickelt. Auch das Hogan Assessment ist sehr fundiert und basiert auf aktuellen Erkenntnissen.
Inwiefern spielen diagnostische Verfahren bei der Identifizierung des individuellen Entwicklungsbedarfs der Mitarbeitenden eine Rolle?
Diagnostische Verfahren bilden eine solide Grundlage für eine strukturierte Personalentwicklung, Karriereplanung und High-Potential-Entwicklung. Sie ermöglichen die Erfassung von Potenzialen und Wünschen der Mitarbeitenden. Die persönliche Entwicklung kann transparent abgeglichen werden mit den Anforderungen der Stelle, was zur Ableitung gezielter Maßnahmen führt. Zum Beispiel könnten Weiterbildungen angeboten werden, um fehlende Fähigkeiten zu fördern, etwa durch Führungskräfte-Coaching.
Siehst du auch mögliche Nachteile oder Risiken im Einsatz von Personaldiagnostik? Falls ja, wie können diese vermieden werden?
Ein Risiko besteht darin, dass die Verfahren der Eignungsdiagnostik, speziell die psychologischen Tests, natürlich die Möglichkeit zur Manipulation bieten. Damit meine ich, dass Kandidat:innen in der Testsituation bewusst Antworten wählen, von denen sie annehmen, dass diese gewünscht sind. Gleichzeitig können die Ergebnisse natürlich auch missinterpretiert werden. Ein Missbrauch oder fehlerhafter Einsatz ist also grundsätzlich möglich und führt zu falschen Ergebnissen.
Daher ist eine qualifizierte Durchführung wichtig, idealerweise durch ausgebildete Spezialist:innen. Das erhöht auch die Ergebnisakzeptanz.
Zwar mag die Personaldiagnostik insgesamt mehr Zeit in Anspruch nehmen im Vergleich zu einem einfachen Bewerbungsgespräch. Ich halte den Aufwand allerdings für angemessen, wenn der Erfolg der Besetzungen und Personalentwicklung dadurch erhöht wird.
Ein schöner Nebeneffekt ist übrigens, dass sich auch abgelehnte Bewerber:innen wertgeschätzt fühlen. Wir erleben oft, dass diese Kandidat:innen für das Feedback in den Auswertungsgesprächen sehr dankbar sind. Sie können daraus viel mitnehmen für ihre weitere Jobsuche.
Sandra Fröhlich ist Dipl. Betriebswirtin (FH), Systemischer Businesscoach und Onlinecoach (DBVC und IOBC). Bei der Dr. Maier + Partner Executive Search GmbH hat sie den Bereich HR Consulting mit den Schwerpunktthemen Management Diagnostik, Management Audit und Führungskräfteentwicklung aufgebaut und leitet diesen heute. Weiter besetzt sie erfolgreich Führungspositionen im Mittelstand sowie der öffentlichen Verwaltung.