Der Bürgermeister von Bad Soden-Salmünster, Dominik Brasch, wollte seine Bürger:innen stärker in das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie einbeziehen. Kurzerhand entwickelte er ein Live-Videoformat und holte dafür seine regionalen Kolleg:innen ins Boot. Die Rathaus-WG war geboren.
„Wir wollten ein schnelles Medium finden, mit dem wir unsere Bürger:innen über die geplanten Corona-Maßnahmen informieren können. Wir wollten aber auch Hintergründe erklären, Diskussionen fördern und Anregungen einholen“, so schildert Dominik Brasch den Anstoß für seine Idee. Die Lösung war schnell gefunden: Brasch kaufte ein Videokonferenz-Tool ein und ging darüber jeden Samstagmittag auf der Facebook-Fanseite der Stadt live. Zu dieser Zeit hielt sein Sohn nämlich sein Mittagsschläfchen.
Die Zeit passte auch seinen Amtskolleg:innen aus den benachbarten Gemeinden gut, da sie durch die Kontaktbeschränkungen am Wochenende keinerlei Termine hatten. Bürgermeister Brasch musste also nicht allein vor die Kamera treten: „Wir alle hatten ähnliche Probleme zu lösen und auch die Sorgen bei den Bürger:innen lagen ähnlich. Da bot es sich an, das Konzept als digitale WG umzusetzen“, erklärt Brasch. Das Vorhaben bewarb die Verwaltung im WhatsApp-Newsletter der Stadt, in den sozialen Netzwerken und in den Lokalzeitungen.
Live und in Farbe
Viel Zuspruch und konstruktiver Austausch
Die geballte Bürgermeister:innen-Power sorgte dafür, dass sich die Livestreams einer enorm hohen Beliebtheit erfreuten. Mehrere Tausend Menschen schalteten sich zur Bürgermeister-WG ein, darunter zunehmend Stammzuschauer:innen. Wer den Livestream verpasst hatte, konnte den Mitschnitt jeder Folge später auf YouTube anschauen. Der Zuspruch war so groß, dass die Bürgermeister-WG bei Bedarf auch unter der Woche Sonderfolgen sendete. Sogar eine Weihnachtsausgabe ging live. Bei besonderen Themen lud die Bürgermeister-WG Gäste ein, darunter einen Pfarrer, die Gesundheitsdezernentin, den Staatssekretär und Unternehmer:innen.
Webinar-Tipp Krisenkommunikation
Neben der hohen Beteiligung fiel auf, dass der Umgangston enorm positiv und konstruktiv war. Obwohl Dominik Brasch und seine Kolleg:innen durchaus auf negatives Feedback und sogar Hate-Speech eingestellt waren, blieb dies völlig aus. Auch kleinere technische Probleme nahmen die Zuschauenden ihren Bürgermeister:innen nicht krumm. Lediglich wenn eine Folge ausfallen musste, gab es kritische Stimmen. Die Bürger:innen hatten sich schon so sehr an den wöchentlichen Austausch gewöhnt, dass sie nur ungerne darauf verzichten wollten.
Die positiven Erfahrungen haben Dominik Brasch davon überzeugt, das Format auch unabhängig von der Corona-Pandemie weiterzuführen. Sein Resümee: „Der Informationsfluss hat für eine höhere Akzeptanz der Corona-Maßnahmen gesorgt. Diese Erfahrungen werden wir auch bei anderen Themenfeldern zukünftig berücksichtigen und das Format fortführen.“
Die Rathaus-WG hat gezeigt, wie man mit kleinem Budget auch in Krisenzeiten Bürgerinnen und Bürger modern erreichen kann. An die Stadt Bad Soden ging daher der Staatsanzeiger Award 2021 in der Kategorie „Bürgermeister in Mission“. Der Award wurde von der Künstlerin Helga Benz kreiert.