KI im Bauwesen: „Wir können uns mehr auf das kreative Schaffen konzentrieren“
Die Bauwirtschaft steht vor einem Umbruch. Die Digitalisierung im Allgemeinen und speziell Künstliche Intelligenz (KI) verändern die Branche rasant. Was sind die Potenziale und Herausforderungen von KI im Bauwesen? Wo sehen Experten wie Philipp Zielke vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) noch Entwicklungsmöglichkeiten? In diesem Interview beleuchten wir diese Fragen und erfahren mehr über die Zukunft des Bauens mit KI.
Herr Zielke, dass eine Künstliche Intelligenz E-Mails schreibt und Bilder erstellt, das kennt man ja. Aber was kann die KI denn konkret in der Bauwirtschaft tun und welche Vorteile bringt das für Behörden?
Das grundsätzliche Problem in der Bauwirtschaft ist, dass die Informationslandschaft zu heterogen ist. Die Unmengen von Daten, die von verschiedenen Stakeholdern generiert werden, liegen meist unsortiert und in Silos vor. Genau hier kann KI unterstützen, indem die Informationen, die in den verschiedenen Silos vorliegen, aufbereitet werden und so erst mal strukturiert vorliegen. KI kann aber nicht nur beim E-Mails Schreiben helfen, sondern bei verschiedenen Arten von Textgenerierung – wie beispielsweise Ausschreibungen, Erstellen von Leistungsverzeichnissen. Dass Informationen strukturiert aus Dateien extrahiert werden und mit diesem Wissen neue Daten generiert werden können, ist ein enormer Vorteil.
In welchen Bereichen der Bauwirtschaft kann KI bereits heute eingesetzt werden?
Nachdem wir nun seit mehr als vier Jahren in diesem Bereich forschen, können wir mittlerweile sagen, dass sich KI in allen Fachbereichen und Leistungsphasen der Bauwirtschaft einsetzen lässt: In der Projektentwicklung kann KI beispielsweise dabei helfen, das richtige Grundstück zu finden. In der Planungsphase sind verschiedene Einsatzmöglichkeiten gegeben: Hilfreich ist beispielsweise die Objektidentifizierung auf statischen Bildern. Diese Methode wird entweder in Grundrissen während der Planungsphase oder auf Baustellenbildern während der Realisierung eingesetzt.
Außerdem kommt KI zum Einsatz, um erste Planungsvorschläge zu erstellen.
Bei der Grundrisserkennung können Bestandsgebäude mithilfe der KI digitalisiert werden. In der Baurealisierung spielt KI eine wichtige Rolle bei der Gefahrenüberwachung auf der Baustelle, inklusive der Datenanonymisierung. Und in der Betriebsphase hilft KI, Ausfallzeiten von TGA-Einheiten frühzeitig zu erkennen. Das nennt man auch Predictive Maintenance.
Und wo sehen Sie die größten Potenziale in den nächsten Jahren?
In den nächsten Jahren sehe ich die größten Potenziale darin, monotone und repetitive Aufgaben durch KI zu ersetzen. Dadurch können wir uns stärker auf das kreative Schaffen konzentrieren. Zudem kann KI als Entscheidungsunterstützungssystem dienen. Mit ihrer Hilfe lassen sich relevante Informationen schneller finden und analysieren, was zu schnelleren und vielleicht auch besseren Entscheidungen führt.
Ein weiteres Potenzial liegt in der Nutzung der großen Datenmengen, die immer verfügbarer werden. Diese Daten können genutzt werden, um Vorhersagen zu treffen und Prozesse zu optimieren. Im ersten Schritt kann KI dabei helfen, die riesige Menge an Daten zu sortieren und auszuwerten. Das erleichtert es, fundierte Analysen durchzuführen und bessere Entscheidungen zu treffen.
Welche Herausforderungen müssen bei der Implementierung von KI in der Bauwirtschaft gemeistert werden?
Eine der größten Herausforderungen bei der Implementierung von KI in der Bauwirtschaft besteht darin, die Daten im eigenen Unternehmen zu strukturieren und maschinenlesbar zu machen. Hier ist das Schlagwort Digitalisierung entscheidend, denn nur wenn die Daten in einer klaren und maschinenlesbaren Form vorliegen, kann KI besonders sinnvoll eingesetzt werden.
Ein weiteres Problem ist herauszufinden, bei welchen Aufgaben KI das Alltagsgeschäft unterstützen kann. Wichtig ist zunächst die Frage zu beantworten: Welches Problem möchte ich lösen? Erst danach sollte man sich überlegen, wie KI dabei helfen kann.
Ein großer Punkt ist auch die Akzeptanz neuer Softwarelösungen, zu denen auch KI-Lösungen gehören. Im Forschungsprojekt SDaC zeigte sich in Tests, dass die geringe Bereitschaft zur Nutzung neuer digitaler Werkzeuge eine große Hürde darstellt. Diese Hürde muss überwunden werden, um den Weg für fortschrittlichere Innovationen zu ebnen.
Wie können Behörden sich auf den Einsatz von KI vorbereiten und welche Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden?
Die einfachste Möglichkeit, auf KI zuzugreifen, besteht darin, mit etablierten Softwareanbietern zusammenzuarbeiten. Behörden sollten sich daher mit ihren Softwareanbietern austauschen und prüfen, welche Neuerungen in den nächsten Jahren kommen werden. Zusätzlich sollten sie überlegen, an welchen Stellen – also bei welchen Anwendungsfällen – es sinnvoll ist, sich weiter zu digitalisieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter für KI-Anwendungen. Nur so können sie das volle Potenzial dieser Technologie verstehen und nutzen.
Darüber hinaus ist es entscheidend, Partnerschaften mit KI-Experten und Unternehmen der Bauindustrie aufzubauen und verfügbare Fördermittel voll auszuschöpfen. Gleichzeitig müssen Standards für die Datenerfassung, -verarbeitung und -speicherung definiert werden, um die Interoperabilität zwischen verschiedenen KI-Systemen zu gewährleisten.
Alles in allem sollten Behörden eine klare Strategie entwickeln, um den Einsatz von KI zu fördern und sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter entsprechend geschult sind und die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um diese innovative Technologie erfolgreich zu implementieren.
Tagung ``Bauen im Land``
Herr Zielke, Sie werden auf der Fachtagung Bauen im Land 2024 des Staatsministeriums für Bauen und Wohnen Baden-Württemberg einen Vortrag zu Ihren Anwendungsfällen halten. Was dürfen die Teilnehmenden von Ihrem Vortrag erwarten?
In meinem Vortrag gebe ich zunächst einen kurzen Einblick in das Thema Künstliche Intelligenz: Was ist KI, und wie kann sie im Bauwesen eingesetzt werden? Anschließend möchte ich aktuelle und spannende Einblicke aus verschiedenen Forschungsprojekten vorstellen, die zeigen, wie KI in verschiedenen Projektphasen genutzt werden kann. Dabei werde ich konkrete Anwendungsfälle präsentieren und erläutern, welche Herausforderungen und Chancen sich dabei ergeben.
Die Teilnehmenden dürfen sich also auf einen umfassenden Überblick freuen, wie KI bereits heute und in Zukunft in der Bauwirtschaft sinnvoll eingesetzt werden kann.
Philipp Zielke hat sein Studium im Wirtschaftsingenieurwesen erfolgreich am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) abgeschlossen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am KIT beschäftigt er sich in Forschungsprojekten mit KI im Bauwesen. Durch seine Tätigkeit in den Projekten SDaC und NaiS hat er vielfältige Erfahrung in der Anwendung von KI-Technologien in verschiedenen Bereichen der Bauwirtschaft und veröffentlicht zu diesem Thema.