Nachforderung von Unterlagen – wie Sie erfolgreich verhindern, Angebote ausschließen zu müssen
Sie als öffentlicher Auftraggeber stehen bei der Angebotsprüfung vor dem Problem, dass bei lukrativen Angeboten Unterlagen fehlen, unvollständig oder fehlerhaft sind. Eigentlich müssten Sie diese ausschließen. Wussten Sie aber, dass Sie die Möglichkeit haben, Angebote durch die Nachforderung der Unterlagen in die Wertung zu retten?
Was dürfen Sie nachfordern?
Sie können Bieter zum einen auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen (bspw. Eignungsnachweise) nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, unter anderem:
- Eigenerklärungen
- Angaben
- Bescheinigungen
Zum anderen können Sie innerhalb bestimmter Grenzen fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachfordern oder vervollständigen lassen.
Wie die Bezeichnung schon sagt, wird zwischen unternehmens- und leistungsbezogenen Unterlagen unterschieden. Erstere beziehen sich auf das Unternehmen selbst, das das Angebot abgibt, insbesondere auf seine Eignung. Letztere betreffen die angebotene Leistung selbst, folglich Bestandteile des zu wertenden Angebots.
Wann und mit welcher Frist können/müssen Sie nachfordern?
Die Nachforderung von Unterlagen ist Pflicht, wenn Sie dies bereits in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festgelegt haben. Achtung: Haben Sie ausdrücklich festgelegt, nicht nachzufordern, so können Sie sich später nicht mehr umentscheiden und doch nachfordern.
Treffen Sie keine Festlegung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen, so steht es Ihnen grundsätzlich nach § 56 VgV, § 42 UVgO frei, unternehmens- und leistungsbezogene Unterlagen nachzufordern.
Entscheidet Sie sich nachzufordern, müssen die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung gegenüber allen Bietern gewahrt werden. Nicht zulässig ist es etwa ein Angebot durch eine Nachforderung zu „heilen“, das andere jedoch wegen fehlender, unvollständiger oder fehlerhafter Unterlagen auszuschließen. Sie müssen allen Bieter die gleiche Chance geben, Unterlagen nachzureichen.
In Bauvergabeverfahren besteht eine Pflicht zur Nachforderung gemäß § 16a VOB/A, § 16a EU VOB/A.
Entschließen Sie sich zu einer Nachforderung, setzen Sie eine angemessene Frist für die Nachreichung der Unterlagen. Was eine angemessene Frist ist, bemisst sich nach der Komplexität und dem Umfang der nachzureichenden Unterlagen. Je umfangreicher und komplexer dieser sind, desto mehr Zeit sollten Sie den Bietern einräumen.
Welche Grenzen müssen Sie bei der Nachforderung beachten?
Für die Nachforderung sind Ihnen aber auch Grenzen gesetzt. In folgenden Fälle ist eine Nachforderung nicht möglich:
- Gründe auf der Ebene der Eignungsprüfung, die nicht durch eine Nachforderung „geheilt“ werden können.
- zwingende Ausschlussgründe im Sinne des § 123 GWB: rechtskräftige Verurteilungen wegen der dort genannten Straftaten oder rechtskräftige Festsetzungen von Ordnungsgeldern gegen das Bieterunternehmen
- zwingende Ausschlussgründe nach § 57 VgV, § 42 UVgO, § § 16 EU VOB/A, § 16 VOB/A. Das betrifft Angebote, die:
- nicht form- und fristgerecht eingegangen sind,
- die (nach-)geforderten Unterlagen nicht enthalten,
- nicht zweifelsfrei durch den Bieter geändert worden sind,
- Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen enthalten,
- ohne die erforderlichen Preisangaben vorliegen,
- nicht zugelassene Nebenangebote sind.
- leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen. Dies betrifft jedoch nicht Preisangaben, die unwesentliche Einzelpositionen darstellen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.
Darüber hinaus können fakultative, also nicht zwingende Ausschlussgründe, nach § 124 GWB gegeben sein, bei denen Sie entscheiden können, ob ein Ausschluss wegen dort genannten Gründe verhältnismäßig ist. Halten Sie einen Ausschluss für unverhältnismäßig, können Sie im späteren Stadium des Vergabeverfahrens Unterlagen nachfordern.
Fazit
Sie sollten die Möglichkeit der Nachforderung von Unterlagen nicht von vornherein ausschließen. So können Sie wirtschaftliche Angebote in der Wertung halten und minimieren das Risiko von Rügen und Nachprüfungsverfahren.