
Stadt Lauda-Königshofen: Heimatgeschichte spielend erleben
Um das Image der Stadt zu stärken und mit den Bürger:innen zu kommunizieren, lassen sich Kommunen immer wieder neue Dinge einfallen. Eine besonders erfolgreiche Idee hatte 2019/2020 die Stadt Lauda-Königshofen. Der dortige Sachgebietsleiter für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Christoph Kraus und seine Kolleg:innen entwickelten in Eigenregie das Brettspiel „Die Händler vom Taubertal“. Für die Produktion konnte der renommierte Ravensburger Verlag gewonnen werden. Die Bürgerschaft war davon so begeistert, dass bereits nach wenigen Tagen die erste Auflage komplett ausverkauft war. Auch die zweite Auflage, die pünktlich zum Weihnachtsfest erschien, war ebenfalls nach wenigen Wochen vergriffen.
Besonders schön: Die Spielmünzen wurden durch Schüler:innen der Gemeinschaftsschule in Lauda-Königshofen gestaltet.
Im Interview mit Christoph Kraus lesen Sie mehr zur Umsetzung und dem Erfolg dieser außergewöhnlichen Idee.
Blogredaktion: Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Christoph Kraus: Die Idee, ein Brettspiel zu entwickeln, trug ich schon länger mit mir herum. Mich faszinierte der Gedanke, mehrere Menschen gemeinsam an einen Tisch zu bringen und ihnen eine spannende, kurzweilige und unterhaltsame Zeit zu bieten. Auf diese Weise das Interesse für die Geschichte unserer Stadt, für die ich arbeite, zu wecken, gab schließlich den entscheidenden Auslöser, das Projekt hausintern vorzustellen. Als ich zwei Kollegen von der Idee erzählte, waren sie sofort Feuer und Flamme für das Projekt und wollten gerne mit dabei sein.
Wie sind Sie vorgegangen?
Es wäre ein Leichtes gewesen, eine bestehende Spielidee mit geringen Abwandlungen zu adaptieren und sie als Brettspiel mit lokalem Bezug zu vermarkten. Aber das hat uns nicht genügt. Auch ein simples Lauf- und Würfelspiel mit Quiz-Elementen wäre sicherlich leichter zu realisieren gewesen als ein komplexes Strategiespiel mit gut verzahnter Spielmechanik, lokalhistorischem Bezug und schlüssigem Regelwerk. So war nach der ersten Idee zunächst einmal viel Kreativität gefragt – und zwar überwiegend am Feierabend und an den Wochenenden.
Dazu muss man wissen, dass die Entwicklung eines Brettspiels eine höchst komplexe Angelegenheit ist. Es ist nicht so, dass man sich im Kopf eine Idee zurechtlegt und diese dann Schritt für Schritt ausführt. Ständig stößt man auf spielmechanische Ungereimtheiten, sodass ein rasches Umdenken erforderlich ist, um diese Hürden zu umgehen und ein interessantes Spiel entstehen zu lassen. Dass meine Kollegen und ich auch sonst gerne spielen, hat natürlich sehr geholfen. Auch das Einbeziehen von Testspieler:innen – primär aus dem eigenen Freundeskreis – ist ganz wichtig. Deshalb wurden regelmäßige Testspielpartien einberufen, meistens im heimischen Wohnzimmer. Anhand dieser Rückmeldungen konnte das Spiel dann immer weiter verfeinert werden.
In unserem Fall stand sehr schnell fest, dass das Spiel auf jeden Fall in einer realen Spielwelt – unserem Taubertal – angesiedelt sein sollte. Bald kam die Idee auf, die Spieler als „fliegende Händler“ in die Welt des 16. Jahrhunderts zu versetzen, als ein gefährlicher Raubritter tatsächlich unsere Region heimsuchte. Dadurch war eine spannende Atmosphäre geschaffen, die wir nun mit einer gut verzahnten Workerplacement-Mechanik, Handelselementen und weiteren Kniffen stimmig anreichern konnten. Dass ein Fachmagazin das fertige Spiel schließlich als originelles Kennerspiel würdigte, war dann natürlich ein Ritterschlag.
Wer hat Ihnen aus der Stadtverwaltung geholfen?
Die Idee wurde zunächst der Fachbereichsleitung und dem Bürgermeister vorgestellt, dann dem Gremium des Förderprogramms LEADER. Das Spiel wurde aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums und des Landes Baden-Württemberg gefördert. So konnten die Gesamtkosten um 40 Prozent gesenkt werden. Hinzu kamen die Einnahmen durch den Verkauf des Brettspiels. Wir wollten mit dem Projekt aber auch das Kulturgut Spiel fördern und in der Region die Lust auf analoge Abenteuer wecken. Von der produzierten Erstauflage ging ein gewisser Teil an soziale, gemeinnützige und kulturelle Zwecke, u. a. für Jugendtreffs, Vereinsheime, aber auch an die Schulen als Unterrichtsmaterial. Letztlich sollte es überall dort Anklang finden, wo sich Menschen jeden Alters begegnen.
Was war das Ziel dieser Aktion?
Das Ziel war es, Menschen zusammenzubringen, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und einen Beitrag für innovatives Stadtmarketing zu leisten – also etwas zu schaffen, worüber man spricht und was man nicht unbedingt erwartet hätte.
Wie „zahlt“ das Spiel auf das Image der Stadt ein?
„Die Händler vom Taubertal“ haben ein riesiges Echo in den Medien erhalten und in der Region ein wahres Spielefieber entfacht. Spätestens, als ein Bürgermeister einer umliegenden Stadt an einem Freitagabend einen Schnappschuss von einem Spieleabend auf Instagram gepostet hat, war klar: Die Stadt Lauda-Königshofen ist mit der Umsetzung einer frischen Idee in aller Munde – und das über kommunale Grenzen hinweg.
Welche Tipps haben Sie für Kolleg:innen, die ebenfalls ein Spiel planen?
Ohne ein gehöriges Maß an Kreativität und dem Bewusstsein, dass man ein Projekt zu verwirklichen versucht, das vor allem außerhalb der Arbeitszeit entsteht, geht es nicht. Jedenfalls nicht, wenn man den Anspruch hat, den wir hatten. Andernfalls entsteht ein Produkt mit wenig Spieltiefe und begrenztem Unterhaltungswert, das vermutlich wenig Beachtung findet und allenfalls als müder Abklatsch einer bestehenden Idee ist.
Wie viel Budget sollte man einplanen?
Das kommt ganz darauf an, was man möchte. Die produzierte Auflage und die Qualität der Illustration sind die entscheidenden Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. Die Frage ist dann natürlich, ob man sich einfach eine bereits bestehende Spielemarke lizenzieren lässt („Monopoly Musterstadt“), einen Verlag mit der Entwicklung beauftragt oder selbst ein Projekt auf die Beine stellt. Ein simples Stadt-Memory lässt sich sicherlich schon mit wenigen tausend Euro realisieren. Wer die Extrameile gehen möchte, der sollte auch entsprechend Budget einplanen.
Wie haben die Bürger:innen auf das Spiel reagiert?
Die Reaktionen waren überwältigend. Schon nach wenigen Tagen war die Erstauflage vollständig vergriffen. Das Spiel traf genau den Geschmack des Publikums und so lag es nahe, dass eine zweite Auflage nachgereicht wird, die dann zu Weihnachten 2020 in die Läden kann. Diesmal mit der sechsfachen Stückzahl und erweitert um neue Spielinhalte und mit einem neuen Ansatz. Die Spieler bereisen nun nicht nur die Stadtteile von Lauda-Königshofen, sondern handeln auch im weiteren Taubertal. Dadurch konnte die Zielgruppe nochmal massiv erweitert werden und das Spiel war im ganzen Landkreis ein Kracher im Weihnachtsgeschäft. Auch der örtliche Handel profitierte davon und freute sich über ein gefragtes Produkt, das es exklusiv in der Region gibt.
So viel sei bereits jetzt verraten: Die Stadt Lauda-Königshofen plant auch in diesem Jahr zwei neue Spiele. Man sollte die städtischen Medienkanäle am Jahresende also gut im Auge behalten, um die Ankündigung nicht zu verpassen. 😉
Was meint das Stadtoberhaupt dazu?
Der Bürgermeister hat die Umsetzung persönlich unterstützt, worüber ich sehr dankbar bin. Ohne die Unterstützung durch das Stadtoberhaupt wäre die Realisierung eines solchen Projekts auch gar nicht möglich. Es ist für alle Beteiligten eine Win-win-Situation: Für die Stadt, weil sie mit einem innovativen Produkt punkten kann, für den Einzelhandel, aber auch für einen selbst, wenn man über die eigenen Grenzen hinauswächst und etwas Unverwechselbares schafft, wovon vor allem jeder passionierte Spieler träumt.
Wie stehen die Kolleg:innen und der Gemeinderat hinter dem Spieleprojekt?
Vermutlich waren die meisten erst einmal neugierig – um nicht zu sagen skeptisch –, aber die Skepsis ist rasch verflogen, als die ersten Designs präsentiert wurden und ein renommierter Produktionspartner vorgestellt werden konnte.
Welche Tipps haben Sie für die Kolleg:innen von PR-Abteilungen in Kommunen, um eine Stadt positiv ins Gespräch zu bringen?
Persönlich immer neugierig bleiben, sich mit Leuten austauschen und offen sein für Neues – dann entstehen die besten Ideen!
Was sind für Sie die größten Herausforderungen im Stadtmarketing?
Aus dem Einheitsbrei hervorstechen – auffallen – das ist aus meiner Sicht die größte Herausforderung. Dabei zählen auch immer innovative Ideen und eine professionelle Pressearbeit, die alle Kanäle miteinschließt.
Woher holen Sie sich Anregungen für Ihr Stadtmarketing?
Ganz unterschiedlich – oft auch in ganz anderen Zusammenhängen, z.B. als Medienkonsument beim Fernsehen, Zeitunglesen, bei der Internetrecherche, beim Scrollen durch die Facebook-Timeline, etc.
Wo informieren Sie sich über PR-Themen allgemein und im Speziellen für Verwaltungen?
Bislang war der PR-Treff des Staatsanzeigers stets ein fester Termin im Jahreskalender. Den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen der öffentlich-rechtlichen Institutionen habe ich immer als besonders fruchtbringend erlebt.
Herzlichen Dank für das Gespräch.