Alles schon abgesprochen? So erkennen Sie Submissionsabsprachen!
Dieser Beitrag ist eine Gemeinschaftsarbeit von Dr. Corina Jürschik, LL.M., und Dr. Christoph Wolf.
Gerade wenn es nur wenige Anbieter für ein bestimmtes Produkt gibt, kommen sie vor: Submissionsabsprachen. Submissionsabsprachen sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen im Hinblick auf öffentliche Ausschreibungen, die das Ergebnis der Ausschreibung beeinflussen sollen. Zu einem echten Wettbewerb kommt es dann nicht. Wie Sie als öffentlicher Auftraggeber wettbewerbswidrige Verhaltensweisen erkennen können, lesen Sie in diesem Beitrag.
Bedeutung von Submissionsabsprachen
Submissionsabsprachen verursachen nach Schätzung des Bundeskartellamts jedes Jahr Schäden für die öffentliche Hand in Höhe von mehreren Millionen Euro. Deshalb wundert es auch nicht, dass wettbewerbsbeschränkende Absprachen über Angebote, die auf Ausschreibungen abgegeben werden, als verbotene Kartellabsprachen (§§ 1, 81 GWB) mit hohen Bußgeldern belegt werden können. Außerdem können entsprechende Absprachen eine Strafbarkeit nach § 298 StGB auslösen. Danach macht sich strafbar, wer bei einer Ausschreibung ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, welche darauf abzielt, die ausschreibende Stelle zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen.
Hinweise auf Submissionsabsprachen
Submissionsabsprachen sind wie andere Kartellabsprachen auch „Geheimdelikte“. Den beteiligten Personen ist naturgemäß daran gelegen, dass ihre Vereinbarungen vor Ihnen geheimbleiben. Das Bundeskartellamt hat deshalb vor dem Hintergrund und zur Unterstützung von öffentlichen Auftraggebern die Informationsbroschüre „Wie erkennt man unzulässige Submissionsabsprachen?“ (Stand: 19.08.2015) veröffentlicht. Die Broschüre enthält auch eine „Checkliste für Vergabestellen“ mit typischen Hinweisen für das Bestehen von Submissionsabsprachen. Typische Hinweise sind:
- Die äußerliche Ähnlichkeit der Angebote, z.B. identisches Layout oder identische Tipp- oder Kalkulationsfehler
- die Kenntnis eines Bieters von anderen Angeboten, z.B. bei eindeutiger Erwartung der preisgünstigste Bieter zu sein oder bei Bezugnahme auf „Standardpreise“
- Auffälligkeiten in der Preisgestaltung, z.B. bei gleichen Einheitspreisen, stark überhöhten Pauschalpreisen, identischen Endpreisen, Preisen der Verlierer
- überraschende Preise eines Bieters, z.B. unterschiedliche Preise desselben Bieters bei gleichgelagerten Ausschreibungen, die sich nicht erklären lassen
- bestimmte Angebotsmuster, die auf eine Marktaufteilung hindeuten, wie z.B. rotierende Aufteilung der gewonnenen Ausschreibung zwischen demselben Bieterkreis
- Scheinangebote, z.B. bei der oberflächlichen Angebotsbearbeitung
- auffällige Preistrends nach bestimmten Marktereignissen, wie z.B. nach dem Markteintritt eines neuen Wettbewerbers
- Anzeichen für eine vorherige Absprache nach erfolgter Vergabe, z.B. Weitergabe lukrativer Teile des Auftrags an Nachunternehmer, die an der ursprünglichen Ausschreibung nicht beteiligt waren
Das können Sie tun
Als öffentlicher Auftraggeber haben Sie verschiedene Möglichkeiten, um auf etwaige Submissionsabsprachen bzw. auf einen „Verdacht“ oder „Hinweise“ zu reagieren.
Ganz generell gilt, dass Submissionsabsprachen zum Ausschluss des betreffenden Bieters berechtigen können. In Betracht kommen dazu fakultative und auch zwingende Ausschlussgründe.
Ein zwingender Ausschluss muss nach § 123 Abs. 1 Nr. 8 GWB erfolgen, wenn die Submissionsabsprache zugleich ein Betrug (§ 264 StGB) zulasten des Haushalts der Europäischen Union darstellt und Sie von der rechtskräftigen Verurteilung des Bieters bzw. einer dem Bieter zuzurechnenden Person „Kenntnis“ haben. Gemeint ist dabei eine „positive Kenntnis“; bloße Gerüchte oder Vermutungen reichen nicht aus. Wenn Ihnen Anhaltspunkte für eine rechtskräftige Verurteilung vorliegen, müssen Sie dem im Rahmen ihrer Möglichkeiten und den zeitlichen Gegebenheiten eines Vergabeverfahrens nachgehen.
Bei Submissionsabsprachen kommt ein Ausschluss des oder der betreffenden Bieter auch aufgrund der fakultativen Ausschlussgründe in § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 GWB in Betracht. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB „können“ Sie ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens ausschließen, wenn das Unternehmen bzw. eine ihm zuzurechnende Person im Rahmen der beruflichen Tätigkeit „nachweislich“ eine schwere Verfehlung begangen hat. Auch Submissionsabsprachen oder Kartellverstöße können schwere Verfehlungen sein; Sie müssen die Verfehlung (Submissionsabsprache oder Kartellverstoß) aber auch nachweisen können. Das ist der Fall, wenn durch schriftlich fixierte Zeugenaussagen oder sonstige konkrete Belege oder Schriftstücke nachweisbare objektive Anhaltspunkte für diese Verfehlungen bestehen.
Mit § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB besteht darüber hinaus ein weiterer, spezieller Ausschlusstatbestand für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen. Danach „können“ Sie das Unternehmen ausschließen, wenn Sie über „hinreichende Anhaltspunkte“ verfügen, dass das Bieterunternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die auf eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und bewirken. Ein Ausschluss kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Kartellbehörde einen Verstoß in einer Entscheidung festgestellt hat. Bei den fakultativen Ausschlussgründen muss im Übrigen auch Ihre Prognoseentscheidung (Bewertung auf der Grundlage objektiver Informationen) ergeben, dass der jeweilige Bieter trotz Verstoß künftig keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Auftragsausführung gibt. Erst dann ist der Ausschluss rechtmäßig.
Unabhängig von den Ausschlussgründen können und müssen Sie auch über die „Preisaufklärung“ (§ 60 VgV) für Klarheit sorgen, wenn Preise „auffällig“ sind. Nach § 60 Abs. 1 VgV müssen Sie vom jeweiligen Bieter Aufklärung verlangen, wenn ein Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig sind. Als „Faustformel“ gilt dabei, dass Sie in die Preisaufklärung einsteigen müssen, wenn zwischen einem Angebot und dem nächstplatzierten Angebot eine Differenz von mehr als 10 bis 20% liegt.
Fazit
Submissionsabsprachen verursachen große Schäden bei der öffentlichen Hand. Um das zu verhindern, gibt Ihnen die Informationsbroschüre „Wie erkennt man unzulässige Submissionsabsprachen?“. Kriterien zum Erkennen von Submissionsabsprachen an die Hand. Kommt bei Ihnen danach der Verdacht auf, dass eine Submissionsabsprache vorliegen könnte, stehen Ihnen nach dem Vergaberecht verschiedene Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. In Betracht kommen zudem fakultative und auch zwingende Ausschlussgründe. Denken Sie auch an die Preisaufklärung.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Die Beratungspraxis umfasst sämtliche Bereiche des Wirtschaftsrechts. Dies gilt insbesondere auch für das Vergabe- und Kartellrecht.
Dr. Christoph Wolf ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Oppenländer Rechtsanwälte in Stuttgart. Er berät und vertritt Unternehmen in Fragen und Verfahren zum deutschen und europäischen Kartellrecht. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören die kartellrechtliche Beratung von Unternehmen, auch der öffentlichen Hand, und die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in Kartellschadensersatzverfahren.