Absprachen aufgedeckt – Pauschaler Schadensersatz nach VHB Bund
Beteiligen sich an Ihrem Vergabeverfahren Bieter, die ihre Angebote zuvor mit dem Ziel abgesprochen haben, das Ergebnis der Ausschreibung zugunsten eines bestimmten Bieters zu manipulieren, liegt eine Submissionsabsprache oder ein Kartell vor. Haben Sie eine solche Absprache rechtzeitig erkannt, können Sie die Angebote dieser Bieter vom weiteren Verfahren ausschließen. Das wirtschaftlichste Angebot wird dann im Wettbewerb ermittelt. Ein Schaden durch zu hohe Angebotspreise entsteht Ihnen deshalb nicht.
Etwas Anderes gilt, wenn Sie Submissionsabsprachen erst nach Vergabe des Auftrags erkennen. Das wirtschaftlichste Angebot war dann wegen der Absprache möglicherweise teurer als es ohne Beeinflussung des Wettbewerbs gewesen wäre. Wie Sie einen solchen Schaden pauschaliert bei Ihrem Auftragnehmer geltend machen, lesen Sie in diesem Beitrag.
Welcher Schaden ist entstanden?
Schon das Erkennen einer Submissionsabsprache ist schwierig. Mindestens genauso schwierig ist es, den entstandenen Schaden zu beziffern, nachdem Sie eine Absprache festgestellt haben. Ihr Schaden besteht aus der Differenz zwischen dem Preis des bezuschlagten Angebotes und dem Preis, den ein Angebot gehabt hätte, das nicht durch eine wettbewerbsbeschränkende Abrede beeinflusst worden wäre („hypothetischer Marktpreis“).
Der hypothetische Marktpreis lässt sich nur anhand von Indizien ermitteln, etwa den erzielten Preisen auf vergleichbaren Märkten. Er kann deshalb meistens nur annährungsweise bestimmt werden. Als Auftraggeber sind Ihnen außerdem die Einzelheiten von Absprachen selten bekannt. Als Folge dieses „Informationsdefizites“ können grundsätzlich berechtigte Schadensersatzansprüche öffentlicher Auftraggeber oft nur mit großen Schwierigkeiten durchgesetzt werden. Die Durchsetzung erfordert zudem großen sachlichen und finanziellen Aufwand.
Vergabehandbuch des Bundes: Pauschaler Schadensersatz
Das Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes versucht, dieses Problem für öffentliche Auftraggeber mit Hilfe „schadenspauschalierender Klauseln“ zu lösen.
Die dort abgedruckten Muster für Angebotsschreiben (z.B. Formblatt 213) enthalten eine Erklärung des Bieters zu pauschalem Schadensersatz. Der Bieter sichert darin zu, Schadensersatz in Höhe von 15 Prozent der Bruttoabrechnungssumme des Vertrages als Schadensersatz zu entrichten, falls aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen wurde, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Davon soll der Bieter nur dann befreit sein, wenn er einen geringeren Schaden nachweist.
Durch die Vereinbarung einer pauschalen Schadensersatzsumme wird Ihnen die schwierige Aufgabe abgenommen, den Ihnen entstandenen Schaden zu beziffern. Denn nach dieser Klausel ist es Aufgabe des Bieters, einen geringeren Schaden nachzuweisen. Anders als Sie als öffentlicher Auftraggeber hat der an der Absprache beteiligte Bieter aber genaue Kenntnis von der Funktionsweise der Absprache und kann daraus Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Absprache auf den Marktpreis ziehen.
Wirksamkeit schadenspauschalierender Klauseln
Ob schadenspauschalierende Klauseln in Verträgen überhaupt wirksam vereinbart werden können, haben Gerichte bisher unterschiedlich beurteilt. Schadenspauschalierende Klauseln in Vergabeunterlagen sind „Allgemeine Geschäftsbedingungen“, weil sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und von einer Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrags als Bedingung gestellt werden. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind schadenspauschalierende Klauseln aber nur dann wirksam, wenn sie den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 10.02.2021 (KZR 63/18, „Schienenkartell VI“) für Rechtsklarheit gesorgt. Eine Klausel, die mit derjenigen im Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes vergleichbar ist, hat der BGH als wirksam angesehen. Das Verwenden von schadenspauschalierenden Klauseln diene dem grundsätzlich auch im AGB-Recht anerkannten Zweck, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch Verringerung von Zeitaufwand und Kosten zu vereinfachen. Eine „Abrede“, von der die Klausel spricht, kann dabei nicht nur eine Submissionsabsprache sein, sondern alle wettbewerbsbeschränkenden Absprachen, die darauf abzielen, den im Rahmen der wettbewerblichen Auftragsvergabe vorausgesetzten Preisbildungsmechanismus zu stören. Das können nach Auffassung des BGH neben Submissionsabsprachen auch Preis-, Quoten-, Kundenschutz- oder Gebietsabsprachen sein. Der Begriff der „Vergabe“ in der Klausel umfasst nach Auffassung des BGH außerdem alle Formen der Vergabe und ist nicht auf Ausschreibungen beschränkt.
Nicht sicher war bisher auch, welche prozentuale Höhe der Gesamtauftragssumme als pauschaler Schadensersatz vereinbart werden kann. Der BGH hat auch diese Frage beantwortet. Pauschalen von 5 bis maximal 15 Prozent stellen nach Auffassung des BGH einen angemessenen Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen beider Vertragsparteien dar. Auch Studien sehen 5 und 15 Prozent als vertretbaren und angemessenen Wert für eine Abschätzung der Abweichung des Angebotspreises vom hypothetischen Wettbewerbspreis an.
Fazit
Sie als öffentliche Auftraggeber können von der Vereinbarung schadenspauschalierender Klauseln nur profitieren. Nach dem Urteil des BGH sind solche Klauseln wirksam und dienen dem Zweck, der öffentlichen Hand die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen zu erleichtern. In zukünftigen Verträgen sollte eine entsprechende Klausel deshalb immer vereinbart werden.
Haben Sie in der Vergangenheit Kenntnis von Bieterabsprachen bei Ihren Ausschreibungen erlangt, lohnt sich ein Blick in Ihre Vergabeunterlagen auch jetzt noch. Schadenspauschalierende Klauseln sind schon länger Bestandteil des Vergabehandbuchs des Bundes gewesen. Wurde eine entsprechende Klausel vereinbart, können Schadensersatzansprüche möglicherweise immer noch geltend gemacht werden.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Die Beratungspraxis umfasst sämtliche Bereiche des Wirtschaftsrechts. Dies gilt insbesondere auch für das Vergabe- und Kartellrecht.
Der Beitrag ist ein Gemeinschaftsprojekt von Dr. Joachim Ott und Dr. Christoph Wolf.
Dr. Christoph Wolf ist Rechtsanwalt bei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte in Stuttgart. Er berät und vertritt Unternehmen in Fragen und Verfahren zum deutschen und europäischen Kartellrecht. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören die kartellrechtliche Beratung von Unternehmen, auch der öffentlichen Hand, und die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in Kartellschadensersatzverfahren.