Barrierefreies Posten in sozialen Netzwerken: So geht‘s
Behörden, die bei ihrer Social-Media-Kommunikation auf Barrierefreiheit achten, erreichen mehr Menschen. Hier erfahren Sie, worauf es ankommt. Die meisten Tipps lassen sich sowohl schnell als auch kostengünstig umsetzen.
In Deutschland leben mehrere Millionen Menschen mit Behinderung. Statistisch gesehen kennt jede:r von uns jemanden mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung. Selbstverständlich nutzen auch behinderte Menschen soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder TikTok. Wer etwa eine Sehbehinderung hat, kann sich die Posts mit einer Screenreader-Software vorlesen lassen.
Eigene Online-Angebote wie die Behörden-Website müssten Ämter von Gesetzes wegen barrierefrei programmieren. Auf kommerziellen Social-Media-Plattformen lassen sich „nur“ die technischen Möglichkeiten nutzen, die angeboten werden. Doch das sind eine ganze Menge!
Zunächst stelle ich die wichtigsten Tipps für Barrierefreiheits-Einsteiger vor. Sie können von jeder behördlichen Social-Media-Redaktion umgesetzt werden. Anschließend folgen Empfehlungen für Behörden, die für barrierefreie Social-Media-Kommunikation auch finanzielle Mittel einsetzen können, beispielsweise Ministerien oder größere Städte.
Barrierefreies Behörden-Social-Media: 7 Basics
1. Verwenden Sie Alt-Texte
Facebook, Instagram, Twitter und LinkedIn bieten allesamt die Möglichkeit, Bilddateien mit einem Alt(ernativ)-Text zu versehen. Wenn Sie ein Foto oder eine Bild-Text-Kachel posten, beschreiben Sie für nicht sehende Menschen genau, was darauf zu sehen ist.
Tipp: Schreiben Sie anschließend „!B“ in Ihren Posting-Text. Dieses Kürzel bedeutet, dass es noch einen Alt-Text hinter dem Bild gibt.
2. Posten Sie Videos mit Untertiteln
Bei Videos gibt es keinen Alt-Text. Sehbehinderte sind hier auf Ton angewiesen, nicht hörende Menschen brauchen Untertitel.
Die Untertitelung ist heutzutage sehr leicht! Sie können hierfür kostenlose oder günstige Apps (z.B. MixCaptions) nutzen. Auf manchen Plattformen (z.B. bei YouTube) ist die Funktion sogar integriert.
Achten Sie darauf, dass Ihre Untertitel sich farblich gut abheben, lange genug eingeblendet werden und inhaltlich informativ sind. Wie Sie perfekte Untertitel erstellen, erfahren Sie in diesem Papier von ARD und ZDF.
Übrigens: Auch Follower ohne Behinderung schauen sich Videos oft ohne Ton an, weil sie beispielsweise gerade im ÖPNV sitzen. Die Arbeit lohnt sich also gleich doppelt.
3. Verzichten Sie auf Font-Generatoren
Bestimmt sehen auch Sie auf Instagram oder LinkedIn immer häufiger Fettschrift oder sogar schnörkelige Schrift im Beitragstext. Wie man das hinbekommt? Mit Font-Generatoren (z.B. LingoJam), die Sie kostenlos im Netz finden.
Doch Vorsicht: Screenreader erkennen die verfremdete Schrift nicht! Auch ältere Mobiltelefone streiken – und zeigen stattdessen kryptische Zeichen an.
Sie sollten deshalb in behördlichen Social-Media-Posts auf Text aus Font-Generatoren verzichten. Nutzen Sie lieber Absätze und Emojis, um Ihren Text zu „verschönern“. Das bringt uns direkt zu Basic-Tipp 4.
4. Setzen Sie Emojis nur einzeln ein
Können Screenreader Emojis vorlesen? Ja! Das hört sich dann in etwa so an: „Lachendes Gesicht“ oder „Grünes Buch“. Damit beim Vorlesen keine Verwirrung beim Follower entsteht, sollten Sie davon absehen, mehrere Emojis hintereinander zu reihen oder sie mitten im Text zu platzieren.
Mein Tipp: Beginnen Sie jeden Beitrag oder jeden Absatz mit einem (!) passenden Emoji.
5. Schreiben Sie Hashtags „vorlesefreundlich“
Wer auf Barrierefreiheit achtet, sollte innerhalb von Hashtags jedes Wort mit einem Großbuchstaben beginnen.
Ein Beispiel: Bei öffentlichen Bibliotheken ist der Hashtag „#bookfacefriday“ beliebt. Screenreader benötigen hier die Schreibweise „#BookFaceFriday“, um den aus drei Wörtern bestehenden Hashtag mit der richtigen Betonung vorzulesen.
Für die „Klickbarkeit“ spielt es übrigens keine Rolle, ob und wo in einem Hashtag Groß- und Kleinbuchstaben verwendet werden.
6. Beschreiben Sie genau, auf was Sie verlinken
Falls Ihr Social-Media-Post einen Link enthält, beschreiben Sie genau, was die Leser:innen beim Daraufklicken erwartet (Beispiel: „Unter dem folgenden Link können Sie die komplette Studie als PDF-Datei herunterladen.“).
Idealerweise sollte natürlich auch das verlinkte Dokument beziehungsweise die verlinkte Website barrierefrei sein.
7. Schreiben Sie verständlich
Manche Menschen können zwar lesen, haben aber Schwierigkeiten, komplizierte Texte zu verstehen. Mit einfachen Formulierungen versetzen Sie mehr Follower (beispielsweise auch Deutschlernende oder Analphabeten) in die Lage, den Sinn Ihres Social-Media-Beitrags zu erfassen.
Mein Tipp: Schreiben Sie kurze Sätze von acht bis zehn Wörtern, bildeen Sie Absätze und verzichten Sie auf Fremdworte.
Barrierefreiheit für größere Behörden: 3 Empfehlungen
1. Erstellen Sie barrierefreie Bilder und Grafiken
Sie beauftragen Agenturen und Grafiker:innen? Dann machen Sie ihnen die Vorgabe, dass Ihre Bild-Text-Grafiken und Templates für Social Media barrierefrei sein müssen. Das bedeutet, dass sie auf bestimmte Farben, Kontraste und Schriftgrößen achten sollen. Hier können Sie sich einlesen und ein paar Elemente vielleicht sogar selbst umsetzen.
2. Produzieren Sie Videos in Gebärdensprache
Sie müssen als Behörde sehr relevante Informationen an alle Teile der Bevölkerung bringen? Dann posteen Sie möglichst auch in Gebärdensprache! Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat beispielsweise eine YouTube-Playlist in DGS (Deutscher Gebärdensprache): In den Videos geht es etwa um das richtige Verhalten bei Hochwasser. Während der ersten Phase der Corona-Pandemie postete das Land Sachsen-Anhalt die regelmäßigen Bürgeransprachen des Ministerpräsidenten in zwei Versionen auf Facebook: mit und ohne Simultanübersetzung in Gebärdensprache.
Da die Barrierefreiheits-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) Behörden vorschreibt, bestimmte Informationen auch in DGS zu veröffentlichen, gibt es mittlerweile verschiedene Dienstleister dafür.
3. Posten Sie (auch) in Leichter Sprache
Texte in Leichter Sprache werden speziell für Menschen mit Lernschwierigkeiten, geistigen Behinderungen und Sprachstörungen geschrieben. Die Übertragung eines „normalen“ Textes in Leichte Sprache folgt festen Regeln, die Sie hier finden. Für Normal-Leser:innen klingt dieser Textstil zu „kindlich“. Deshalb empfiehlt es sich, dass größere Behörden eine separate Facebook-Seite oder ein separates Instagram-Profil in Leichter Sprache anbieten.
Falls Sie selbst keine Übersetzer:innen für Leichte Sprache beschäftigen, können Sie ein „Büro für Leichte Sprache“ (Übersetzungsbüro) beauftragen.
Note 1 in Barrierefreiheit? Fragen Sie die Zielgruppe!
Wie Sie sichergehen können, dass Sie die Empfehlungen aus diesem Artikel gut umgesetzt haben? Das wertvollste Feedback bekommen Sie von der Zielgruppe, also von Menschen mit Behinderungen.
Viele Behörden haben Mitarbeiter:innen mit Einschränkungen. Vielleicht können Sie sie (in Absprache mit den jeweiligen Vorgesetzten) für eine Social-Media-Barrierefreiheits-Prüfung gewinnen. Eine weitere Möglichkeit ist eine Anfrage bei einer Behinderten-Werkstatt. Auch manche Büros für Leichte Sprache, die mit behinderten Menschen zusammenarbeiten, bieten einen Barrierefreiheits-Check für Ihre Social-Media-Auftritte an.