Der Bundesdatenschutzbeauftragte möchte der Bundesregierung ihre erfolgreiche Facebook-Seite verbieten. Das Bundespresseamt klagt dagegen. Bald treffen sich beide vor Gericht. Müssen Kommunen, Ministerien und andere Ämter Facebook demnächst verlassen? Wahrscheinlich nicht. Sicher ist jedenfalls: Social Media geht nicht mehr weg!
Wie ist der aktuelle Stand beim „Verbot“ von Facebook-Seiten für Behörden?
Derzeit sind viele Verwaltungen besorgt, die ein Schreiben ihrer zuständigen Datenschutzbehörde erhalten haben. Demnach seien Facebook-Seiten (frühere Bezeichnung: Fanpages) für deutsche Behörden illegal und müssten abgeschaltet werden. Sonst würde man Konsequenzen ziehen – und Ämter letztlich dazu zwingen.
Diese Schreiben sind erst mal nur eine Vorankündigung möglicher Maßnahmen. Zwischen dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber und dem Bundespresseamt läuft nun aber ein offizielles Testballon-Verfahren, das manche als „Musterprozess“ ansehen. Wann hier mit einem Urteil zu rechnen ist? Das kann dauern! Für Verwaltungen, die wissen wollen, ob ihre Facebook-Seite nun wirklich illegal ist oder nicht, heißt es: abwarten.
Behörden-Social-Media und Datenschutz: die unendliche Geschichte
Die Aversion deutscher Datenschutzbeauftragter gegen soziale Netzwerke (besonders die des Meta-Konzerns) besteht bereits seit Anfang der 2010’er Jahre – da nämlich begannen Kommunen und andere Ämter mit dem Twittern und Posten. Erste Versuche, den Behörden Facebook zu verbieten, verliefen damals im Sande. 2016 trat aber die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Seither bemühen sich die in ihren Befugnissen gestärkten Datenschutzbehörden, ihr Facebook-Verbot doch noch durchzukriegen.
Die Behauptung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern lautet: Meta und die anderen amerikanischen Plattformen halten die DSGVO nicht ein. Meta sagt: Unsere Plattformen sind sehr wohl DSGVO-konform! Die Forderungen der Datenschutzbehörden seien längst umgesetzt.
Warum es wahrscheinlich kein Facebook-Verbot für Behörden geben wird
Ich halte es für komplett unrealistisch, dass Verwaltungen künftig auf Facebook verzichten müssen. Viel wahrscheinlicher ist, dass Gerichte zugunsten der Ämter urteilen werden. Aus folgenden Gründen:
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Behörden werden nur als Druckmittel benutzt
Eigentlich zielt die Aktion der deutschen Datenschutzbeauftragten auf Meta ab. Da der Facebook-Anbieter nicht in Deutschland sitzt, sondern in Irland, können von hier aus keine Maßnahmen gegen das Unternehmen ergriffen werden. Die „clevere“ Idee der Datenschutzbehörden ist es, Behörden-Facebook-Seiten als Bauernopfer zu nutzen. Ich war auf Veranstaltungen mit Datenschutzbeauftragten, die unverblümt und gut gelaunt zugegeben haben, dass hier ein „Stellvertreterkrieg“ läuft.
Besonders unverschämt finde ich: Nach Meinung der Datenschützer sind Facebook-Seiten ja nicht nur für offizielle Stellen „illegal“, sondern auch für Unternehmen, Parteien, Vereine – eigentlich für alle, außer für Privatpersonen. Doch man gehe nur gegen Behörden vor – das sei einfacher und personell leichter zu stemmen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gerichte solche „Spielchen“ unterstützen.
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Ein rein deutsches Phänomen
Dass Behörden angeblich nicht auf Facebook sein dürfen, scheint ein rein deutsches Problem zu sein. Zwar arbeitet sich die EU derzeit an TikTok ab und Italien an ChatGPT. Ein Facebook-Verbot ist und war in Österreich, Frankreich und Co., aber nie Thema – dabei gilt doch überall die gleiche DSGVO!
Es scheint, als ob das „pflichtbewusste“ (Achtung, Ironie) Deutschland hier alleine vorprescht. Da wir ohnehin bald Schlusslicht bei der Digitalisierung sind, machen wir uns damit wirklich lächerlich.
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Facebook ist für viele Behörden relevant
Facebook ist für viele Behörden – darunter kleinere Kommunen – der wichtigste Social-Media-Kanal. Hier lassen sich viele Bürger:innen über 30 Jahre jeder Bildungsschicht privat erreichen. Besonders nützlich für die Kommunikation ist die Kommentar-Spalte. Würde man Behörden Facebook wegnehmen, wäre für manche Verwaltungen ihr wichtigster direkter Kontaktweg zur Bevölkerung gekappt.
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Europäische Plattformen sind keine Alternative
Fragt man die Datenschutzbeauftragten, welches soziale Netzwerk Behörden denn statt Facebook verwenden „dürfen“, ist ihre Antwort nicht etwa Instagram, LinkedIn oder TikTok. „Die sind als nächstes dran“, drohen die DSGVO-Behörden gar. Angepriesen wie Sauerbier wird statt dessen Mastodon – die deutsche Plattform, die nach der Twitter-Übernahme durch Elon Musk einen klenen Hype erlebte, der nicht lange andauerte. Nach wie vor ist auf Mastodon einfach nichts los. Somit bringt das Netzwerk nichts, wenn beispielsweise das nächste Hochwasser kommt und das Rathaus die Bevölkerung auf dem Laufenden halten muss.
Ein anderer Vorschlag aus der Datenschützer-Ecke: Behörden könnten doch Zuckerberg spielen und ihre eigenen sozialen Netzwerke entwickeln. Was bei der Stadt Wien mit dem „WienBot“ tatsächlich gut klappt, ist für kleinere Behörden natürlich weder finanziell noch personell zu stemmen. Und am Ende wäre bei den meisten solcher Apps vermutlich auch nicht mehr los als auf Mastodon. Der Charme etablierter Plattformen wie Facebook liegt gerade darin, dass Behörden-Infos zwischen Postings von Freunden, Familie, Promis und Marken „eingestreut“ werden können – und somit auch die Menschen erreichen, die sich nicht pro-aktiv bei ihrer Behörde informieren.
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Behörden-Infos in sozialen Netzwerken werden gebraucht – gerade in Krisenzeiten
Würde man ausgerechnet Behörden mit ihren offiziellen Informationen aus sozialen Netzwerken verbannen, würden andere die Deutungshoheit auf Social Media übernehmen. Die Folgen sieht man auf TikTok: Sucht man in der Video-App nach dem Stichwort „Bürgergeld“, erscheinen vor allem Clips von Privaten, die sich (mal ironisch, mal ernsthaft) Tipps geben, wie man ohne Arbeit durchs Leben kommt. Da noch nicht viele Behörden auf TikTok aktiv sind, können sie nichts entgegen setzen und sehen die Videos vielleicht nicht mal.
Das Beispiel zeigt: Der Staat muss dort kommunizieren, wo die Menschen sind – und es ist unbestritten, dass sich viele Bürger:innen heute in sozialen Netzwerken informieren. Da derzeit eine Krise die nächste jagt, ist gute Behördenkommunikation überall wichtiger den je. Das Bundesinnenministerium schrieb schon 2014, dass Social Media aus der behördlichen Krisenkommunikation nicht mehr wegzudenken sind.
Mein Fazit: Es wäre unverhältnismäßig und geradezu dumm, Behörden von Facebook „abzuschneiden“.
Was Behörden jetzt tun sollten
Ich rate Behörden, sich von dem Streit nicht verrückt machen zu lassen und ganz normal weiter bei Facebook zu kommunizieren.
Denn unabhängig von der irgendwann zu erwartenden Gerichtsentscheidung im Fall Bundespresseamt gilt das Verbot dann ja nicht unmittelbar für andere Behörden. Deutschland hat 10.789 Kommunen, 294 Landkreise und 107 kreisfreie Städte. Für sie sind die einzelnen Landesdatenschutzbeauftragten zuständig. Jede der Behörden müsste einen separaten Facebook-Verbots-Bescheid bekommen – und könnte eigenständig dagegen klagen. Wäre ich Behördenleiterin, ich würde es mit Freude tun.
Allerdings werden sich die Landesdatenschutzbehörden den Stress erst gar nicht antun. Sie hoffen, dass Behörden dem Druck nachgeben und selbst die Facebook-Reißleine ziehen. Bisher ist das nicht in Sicht, sondern Kommunen und Ämter halten dagegen. Und das ist auch gut so.
Und selbst wenn der unrealistische Fall eintreten würde, gäbe es noch Alternativen. Sie heißen LinkedIn, YouTube, Instagram und Co. Würden auch sie in langwierigen Verfahren verboten, wäre bis dahin längst wieder etwas Neues da. Social Media an sich, also die Kommunikation in kurzen Texten, vertikalen Kurzvideos, Kommentaren und Direct Messages wird nicht mehr weggehen! Auch nicht in Deutschland. Auch nicht für Behörden.