Die besten Blüten einsammeln – Ideenmanagement in der öffentlichen Verwaltung
Wie können wir in einer alternden Gesellschaft mit alternden Belegschaften und Fachkräftemangel die Innovationsfähigkeit in den Organisationen auf allen Ebenen fördern? Wie können wir das Wissen der Beschäftigten bestmöglich für die Verbesserungen von Arbeitsabläufen und die Erneuerung von Organisationsstrukturen nutzen?
Eine mögliche Eingrenzung, was zu tun und was zu lassen ist, um den Fortschritt von innen zu erreichen, sieht so aus:
- Alleinige Entscheidungen der Leitungsebene am grünen Tisch? Out.
- Zusätzliche Einbindung der Mitarbeitenden an der Basis? In.
- Einseitige Kommunikation mit Anweisungen ohne Feedback? Out.
- Dialogprozesse mit professionellem Ideenmanagement? In.
Auch wenn der Begriff „Goldgräberstimmung“ immer noch einen faden Beigeschmack hat, so kann das Thema für die öffentliche Verwaltung eine Aufbruchstimmung schaffen: Das Gold in den Köpfen der Mitarbeitenden schürfen.
Neue Ideen für die Verwaltung? Eine gute Idee! Aber das geschieht nicht von allein, es ist kein Selbstläufer. Erfolgreiches Ideenmanagement benötigt einen systematischen, transparenten Prozessablauf, der professionell gesteuert wird. Ideenmanagement ist ein ganzheitlicher Ansatz für Organisationen, um die Beobachtungsgabe, Wahrnehmungsfähigkeit und Verbesserungsvorschläge ihrer Mitarbeitenden als Innovationspotenzial zu nutzen. Und angesichts der digitalen Transformation, in der sich die öffentliche Verwaltung gerade befindet, ist es umso wichtiger, die Beschäftigten an der Basis auf verschiedenen Wegen miteinzubeziehen. Sie sollen erleben können, wie sie mit ihren Ideen und Verbesserungsvorschlägen dazu beitragen, eine moderne, innovative und bürgernahe Verwaltung zu schaffen.
Berechenbarer und strategischer Nutzen
Prozesse verschlanken, Qualität steigern, Kosten einsparen – all das ist mit einem guten Ideenmanagement möglich. Das zeigten schon die Pioniere im 19. Jahrhundert: Firmen wie Merck, Krupp oder Borsig honorierten ihre Arbeiter für „besondere Verbesserungen“. Inzwischen sparen Unternehmen durchschnittlich 12.000 Euro pro umgesetzte Idee ein – und das sowohl bei produzierenden wie auch Dienstleistungsunternehmen.
Neben diesem berechenbaren Nutzen ist aber auch der strategische Nutzen von großer Bedeutung, denn das Ideenmanagement trägt dazu bei, die Veränderungsbereitschaft der Beschäftigten zu fördern, ihnen zu zeigen, dass sie Einfluss auf Veränderungen haben und dass sie etwas zum Guten bewirken können. Das stärkt die Arbeitszufriedenheit, Motivation und Identifikation mit der eigenen Organisation.
Das Deutsche Institut für Ideen- und Innovationsmanagement schätzte das berechenbare Ideenmanagement-Potenzial für den öffentlichen Dienst bei 5 Millionen Beschäftigten auf 1,35 Milliarden Euro für das Jahr 2021. Allerdings hätte dafür die Beteiligung der Beschäftigten wesentlich höher sein müssen.
Auch der Bundesrechnungshof mahnte in seinem Prüfbericht zum Ideenmanagement in der Bundesverwaltung 2016 an, dass die Beteiligung am Ideenmanagement mit durchschnittlich vier Ideen pro 100 Beschäftigten und Jahr sehr gering sei und dringend gesteigert werden müsse. Als besondere Defizite kritisierte der Bundesrechnungshof, dass die wenigen angenommenen Ideen von den Behörden häufig gar nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung umgesetzt werden. Das hierdurch versäumte Einsparpotenzial belaufe sich jährlich schätzungsweise auf Millionen.
Dabei hatte die Bundesverwaltung bereits im Jahr 2002 eine Rahmenrichtlinie für ein modernes Ideenmanagement geschaffen. Zusätzlich fasste im Mai 2005 der ressortübergreifende Ausschuss für Organisationsfragen (AfO) einen Beschluss zur Stärkung des Ideenmanagements in der Bundesverwaltung. In allen Behörden sorgten Ideenmanagerinnen und Ideenmanager für die professionelle Durchführung des Verfahrens. Seit 2009 wurde eine zentrale, behördeninterne Ideendatenbank (id-bund.intranet.bund.de) aufgebaut. Sie sollte dazu beitragen, dass auch andere Behörden sich der passenden Ideen bedienen und sie umsetzen. Die Verantwortung für die Ideendatenbank obliegt dem Bundesinnenministerium, der operative Betrieb liegt in den Händen des Bundesverwaltungsamtes.
Zwar hat sich das Ideenmanagement noch nicht weitreichend auf allen Ebenen der Bundes-, Landes-und Kommunalverwaltung durchgesetzt, aber es gibt bereits sehr gute Beispiele. Stellvertretend für zahlreiche andere zählen wir hier 5 auf.
Beispiele für Verbesserungen von innen
Beispiel Landesverwaltung NRW
Das Ideenpotenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist als ein „tragendes Element des ständigen Modernisierungsprozesses der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen“ definiert worden. So steht es in den Richtlinien für das Ideenmanagement Nordrhein-Westfalen – Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 17. November 2016. Ziel ist es, die „Aufgabenerledigung in der Landesverwaltung einfacher, schneller, wirtschaftlicher, sicherer oder bürgerfreundlicher zu machen“.
Zusätzlich zu der regulären Prämierung durch den Ausschuss für Ideenmanagement, die zwischen 400 und 12.000 Euro je nach Nutzen liegt, gibt es regelmäßige themenbezogene Ideenwettbewerbe. Im Jahr 2016 wurde beispielsweise ein Excel-Programmpaket zur Planung der Entwässerung von Autobahnen, Bundes- und Landstraßen mit 1.250 Euro prämiert oder die entwickelte Berechnungshilfe zur Kaufpreisaufteilung nach der Restwertmethode für die Finanzverwaltung NRW ebenfalls mit 1.250 Euro oder die Verbesserung eines Vordrucks mit 250 Euro.
Beispiel Stadtreinigung Hamburg „Ideentonne“
Mit dem Slogan „Nachgedacht und mitgemacht: Eure Einfälle – unser Wertstoff“ ruft die Hamburger Stadtreinigung ihre Beschäftigten dazu auf, Ideen zur Verbesserung von Service, von Abläufen oder Einsparungen zu machen. Das ehemalige „betriebliche Vorschlagwesen“ hat die Hamburger Stadtreinigung im Juli 2021 in ein innovatives Ideenmanagement mit regelmäßigen Themenaufrufen und attraktiven Prämien überführt. Prämiert wurden im Jahr 2021 Ideen zur Papiereinsparung, Regenwassernutzung oder Streuschaufeln für den Winterdienst, aber auch Gutscheine für die Kantine oder Mülltrennung in den Büros.
Beispiel Bundestag
Um das Ideenmanagement erneut in den Fokus zu rücken, führte die Abteilung „Z4 Organisation“ des Deutschen Bundestages von Mai bis Oktober 2022 das Projekt „Ideenmanagement“ durch: Hier wurde der aktuelle Prozess der Einbringung von Vorschlägen der Beschäftigten zur Verbesserung von Arbeitsprozessen und -bedingungen überarbeitet.
Ziel war es, die Motivation und das Vertrauen der Beschäftigten mit einem attraktiven Konzept für eine bessere und transparentere Zusammenarbeit und Kommunikation über Hierarchien hinweg zu steigern sowie die Identifikation mit der Verwaltung zu stärken. Hierzu sollte das gesamte Verfahren nutzerzentriert neu gedacht und Anreizmodelle für innovative Ideen und Verbesserungsvorschläge geschaffen werden. Es sollte auch der Abbau von “Silodenken” und die Verbesserung der notwendigen Zusammenarbeit von Abteilungen und Fachbereichen vorangebracht werden.
Ideenmanagement sei eng verbunden mit dem organisationalen Lernen der Behörde als lernender Organisation. Das im Bundestag seit fast 20 Jahren bestehende Ideenmanagement sei „ein tolles Instrument für eine Verwaltung, ein Ausdruck der Wertschätzung der 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Claudia Bülter, Referatsleiterin Organisation in der Bundestagsverwaltung. Sie will den Prozess weiter vereinfachen und sicherstellen, dass die Mitarbeiter:innen ihre Ideen „in guten Händen wissen“.
Stadt Krefeld
Die Stadt Krefeld belohnt ihre Beschäftigten mit Geld- und Sachprämien sowie Sonderurlaub für erfolgreich umgesetzte Ideen. Mit dem Motto „Ihre Ideen sind gefragt“ wendet sich die Stadt an ihre Mitarbeitenden und motiviert sie, mittels eines „Ideenbogens“ ihre Verbesserungsvorschläge einzureichen. Das können Ideen sein, um überflüssige Aufgaben abzubauen und effizienter zu werden, Arbeitsprozesse und IT-Verfahren zu optimieren, (noch) bürger- und servicefreundlicher zu werden oder die Zusammenarbeit zu verbessern. Seit der Einführung im Jahr 2014 wurden 2019/2020 mit insgesamt 76 Ideen die meisten Vorschläge eingereicht. Pandemiebedingt ging die Zahl anschließend wieder zurück.
Stadtverwaltung Frankfurt am Main
Die Stadtverwaltung fragt nicht nur ihre Mitarbeitenden nach Ideen, sondern beteiligt auch die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt: Finden sich für eine Idee mindestens 200 Unterstützungsvoten anderer Bürger:innen, dann wird sie vom zuständigen Fachdezernat geprüft und dem Magistrat vorgelegt, der über das Verfahren online berichtet. Auch die Stadtverordnetenversammlung ist in diesen Prozess mit einbezogen und erhält halbjährlich einen Bericht. Aktuell sind 2.315 Ideen mit 81.306 Unterstützungen auf der Website „Ideenplattform“ eingereicht worden.
Erfolgreich waren Bürgerideen wie „E-Scooter stadtweit reglementieren“ oder „Mehr Sicherheit durch bessere Beleuchtung im Brentano Park“. Keinen Erfolg hatten Ideen wie „Zugangsbeschränkung zum Hauptbahnhof“ oder „Einschulungsunterlagen digitalisieren“. Auch keinen Erfolg hatte der methodische Vorschlag für die Ideenplattform selbst, alle erfolgreichen und umgesetzten Ideen zu bündeln und transparent zu machen. Das hätte den Anreiz zum Mitmachen vielleicht noch vergrößern können.
Fünf Erfolgsfaktoren für das Ideenmanagement
Für ein produktives und von der Belegschaft akzeptiertes Ideenmanagement gibt es eine Reihe von Erfolgsfaktoren, die auch dazu beitragen, typische Barrieren zu überwinden, wie Personalengpässe, keine Zeit für Extras, Konzentration auf die Kernaufgaben und wenig Anreize für Mitarbeitende, neue Vorgehensweisen zu erproben. Die fünf wichtigsten Erfolgsfaktoren sind:
- Transparentes Verfahren etablieren und kommunizieren: Das Ideenmanagement ist für alle nachvollziehbar erklärt, Prozessablauf und Bewertungssystem sind verständlich dargestellt. Die Beschäftigten wissen, wer die Ideen bewertet und nach welchen Kriterien sich die Umsetzung sowie die Erfolgsprämie richten.
- Einfache, niedrigschwellige Form der Ideeneinreichung: Die Beschäftigten können ihre Ideen sehr einfach einreichen, am besten über ein leicht zu handhabendes Online-System. Beispiele wie „IdeaCheck“ oder „HCM Ideenmanagement“ haben in Tests durch intuitive Bedienung und übersichtliche Handhabung überzeugt.
- Schnelles Rückmeldesystem: Wer eine Idee eingereicht hat, bekommt eine Bestätigung und eine Zwischennachricht, wenn der Prüfprozess länger dauert als angekündigt. Insgesamt erhält das Entscheidungsgremium aber genügend Zeitressourcen, um die Verfahren schnell und professionell durchführen und abschließen zu können.
- Vorbildwirkung durch Management und Führungskräfte entfalten: In persönlichen Gesprächen, auf Abteilungssitzungen und in großen Betriebsversammlungen zeigen die Vorgesetzten ihre positive Haltung zum Ideenmanagement und Wertschätzung für alle eingereichten Ideen. Sie motivieren die Beschäftigten, Vorschläge einzureichen.
- Beteiligungsquote durch Kampagnen erhöhen: Kampagnen und Initiativen zur Erhöhung der Beteiligungsquote: Aktives Ideenmanagement, also Coaching, Workshops, Kampagnen oder auch sogenannte „Ideensprints“, in denen vom Tagesgeschäft freigestellte Teams mit methodischer Unterstützung Ideen erarbeiten, können die Beteiligungsquote deutlich erhöhen.
Fazit
Die Innovationsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ist sehr stark von der Kompetenz, von den Ideen und von der Haltung ihrer Beschäftigten abhängig. Neben den finanziellen Anreizen für besonderes Engagement beim Aufdecken von Verbesserungspotenzial und für interessierte Beobachtung und Analyse von unzulänglichen Prozessen und Strukturen ist vor allem die Unternehmenskultur von entscheidender Bedeutung: Zeigen die Führungskräfte selbst Interesse an Veränderungen, gehen sie offen und wertschätzend mit den Vorschlägen und Ideen ihrer Mitarbeitenden um? Auch Abteilungsleitungen sind offen für Vorschläge aus anderen Bereichen: Sie vermeiden Abteilungsegoismus und setzen stattdessen auf Kooperation, nicht auf Konfrontation.
Der konzeptionelle Rahmen eines professionellen Ideenmanagements schafft gute Voraussetzungen, um bereichsübergreifend Entwicklungsprozesse erfolgreich zu meistern und die Neuerungen ganzheitlich zu gestalten.