Verhandlungsverfahren – Worauf muss ich als Auftraggeber achten?
Nach § 119 Abs. 1 GWB können öffentliche Aufträge neben weiteren Verfahrensarten auch „im Verhandlungsverfahren“ vergeben werden. Was ein Verhandlungsverfahren ist, erklärt § 119 Abs. 5 GWB. Danach ist das Verhandlungsverfahren ein Verfahren, bei dem sich der öffentliche Auftraggeber mit oder ohne Teilnahmewettbewerb an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren dieser Unternehmen über die Angebote zu verhandeln. Was Sie zum Verhandlungsverfahren wissen müssen, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Wann ist ein Verhandlungsverfahren zulässig?
Das Verhandlungsverfahren ist kein „Regelverfahren“. Ein Verhandlungsverfahren dürfen Sie nur durchführen, wenn das durch gesetzliche Bestimmungen ausdrücklich erlaubt ist. Wann ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden kann, steht in § 14 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 VgV. Möglich ist das zum Beispiel, wenn die Bedürfnisse des Auftraggebers nicht ohne Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können (Nr. 1), oder wenn der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst (Nr. 2).
Wann ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erlaubt ist, steht in § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 9 VgV. Zulässig ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zum Beispiel, wenn der Auftrag ohnehin nur von einem einzigen Unternehmen durchgeführt werden kann (Nr. 2), oder wenn die Beschaffung so dringlich ist, dass die vorgeschriebenen Fristen eines offenen Verfahrens, eines nicht offenen Verfahrens oder eines Verfahrens mit Teilnahmewettbewerb nicht eingehalten werden können (Nr. 3).
Wollen Sie ein Verhandlungsverfahren durchführen, muss eine der gesetzlichen Ausnahmevorschriften erfüllt sein. Diese sind eng auszulegen. Berufen Sie sich auf eine der Ausnahmevorschriften, müssen Sie im Zweifelsfall darlegen und beweisen können, dass die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift erfüllt sind.
Ablauf eines Verhandlungsverfahrens
Der Ablauf eines Verhandlungsverfahrens ist klar geregelt (§ 17 VgV). Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb veröffentlichen Sie zunächst eine Auftragsbekanntmachung. Darin geben Sie unter anderem den Auftragsgegenstand, die Eignungskriterien und sonstige Auswahlkriterien an. Interessierte Unternehmen können anschließend einen „Teilnahmeantrag“ einreichen. In diesem Teilnahmeantrag müssen interessierte Unternehmen darlegen, dass sie Ihre Eignungskriterien erfüllen. Von den geeigneten Unternehmen wählen Sie anschließend diejenigen aus, die ein Erstangebot abgeben dürfen. Bei Ihrer Auswahl haben Sie einen Entscheidungsspielraum, müssen aber den Gleichbehandlungs– und Transparenzgrundsatz beachten. Zur Angebotsabgabe müssen Sie nach § 51 Abs. 2 VgV mindestens drei Unternehmen auffordern.
Bei einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb entfällt dieser erste Schritt. Sie wenden sich vielmehr direkt an einzelne Unternehmen und fordern diese auf, ein Erstangebot abzugeben (§ 17 Abs. 5 VgV). Die Eignung der Unternehmen prüfen Sie in einem formlosen Verfahren aufgrund eigener Kenntnisse, bevor Sie das Unternehmen zur Angebotsabgabe auffordern. Weil der Transparenzgrundsatz auch im Verhandlungsverfahren gilt, muss die Auswahl der Unternehmen, die Sie zur Angebotsabgabe auffordern, nachvollziehbar sein. Die wesentlichen Erwägungen müssen Sie dokumentieren (Stichwort: Vergabevermerk). Sofern nicht nur ein einziger Bieter in Betracht kommt, fordern Sie auch im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe auf.
Nach dem Ende der Frist zur Abgabe von Erstangeboten folgt in beiden Varianten die Verhandlungsphase. Nach der Sichtung und Bewertung der Erstangebote folgt eine erste Verhandlungsrunde. Verzichten können Sie auf die Durchführung (mindestens) einer Verhandlungsrunde nur, wenn Sie sich in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung vorbehalten haben, den Auftrag auf Grundlage der Erstangebote zu vergeben (§ 17 Abs. 11 VgV).
Die Verhandlungsrunden können Sie weitgehend frei gestalten, müssen aber immer darauf achten, alle Bieter gleich zu behandeln. Soweit Sie in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen darauf hingewiesen haben, können Sie die Verhandlungen in verschiedenen, aufeinanderfolgenden Phasen abwickeln. So können Sie anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien die Zahl der Angebote, über die Sie verhandeln, nach und nach verringern. In jedem Fall müssen Sie in der Schlussphase des Verfahrens aber noch so viele Angebote „im Rennen“ haben, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist.
Was darf verhandelt werden?
In der Verhandlungsphase besprechen Sie die eingereichten Erstangebote und eventuelle Folgeangebote mit den interessierten Unternehmen. Ziel der Verhandlungen ist die inhaltliche Verbesserung der Angebote. Sie verhandeln also so lange über den Auftragsinhalt und die Auftragsbedingungen, bis Sie vereinbart haben, wie die Leistung ganz konkret beschaffen sein soll und zu welchen Konditionen und welchem Preis der Bieter leisten wird. Verhandlungsgegenstand kann also der gesamte Angebotsinhalt sein, mit Ausnahme der von Ihnen in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien.
Änderungen an den Vergabeunterlagen sind also grundsätzlich zulässig, solange die Änderungen allen verbliebenen Bietern transparent und diskriminierungsfrei mitgeteilt werden. Eine Grenze gibt es allerdings: Änderungen an den Vergabeunterlagen dürfen nicht so weit gehen, dass ein ganz anderer Leistungsgegenstand als zunächst vorgesehen beschafft wird. Die „Identität des Beschaffungsgegenstands“ muss gewahrt bleiben.
Den Ablauf der Verhandlungen müssen Sie dokumentieren (Stichwort: Vergabevermerk).
Was kommt nach den Verhandlungen?
Beabsichtigen Sie, die Verhandlungen abzuschließen, teilen Sie das allen verbliebenen Bietern mit und setzen diesen eine einheitliche Frist für die Einreichung ihres endgültigen Angebotes. Über die anschließend eingereichten endgültigen Angebote dürfen Sie nach § 17 Abs. 10 VgV nicht mehr verhandeln. Sie müssen sich vielmehr vergewissern, dass die endgültigen Angebote die Mindestanforderungen erfüllen.
Anschließend entscheiden Sie auf der Grundlage der Zuschlagskriterien, welches Angebot den Zuschlag erhält.
Fazit
Üblicherweise dürfen Angebote in Vergabeverfahren nicht mehr geändert werden, nachdem sie abgegeben wurden. Verhandlungen über den Preis sind unzulässig (§ 15 Abs. 5 VgV). In Verhandlungsverfahren ist das – wie es der Name sagt – anders. In Verhandlungsverfahren darf über den gesamten Angebotsinhalt und den Preis verhandelt werden. Verhandlungsverfahren bieten Ihnen als Auftraggeber deshalb viel Flexibilität bei der Beschaffung. Anwenden dürfen Sie dieses Verfahren allerdings nur, wenn es das Gesetz ausdrücklich erlaubt. Im Laufe des Verfahrens müssen Sie immer darauf achten, alle Bieter gleich zu behandeln und die Verhandlungen nachvollziehbar zu dokumentieren.
OPPENLÄNDER Rechtsanwälte mit Sitz in Stuttgart zählt bei einer Teamgröße von ca. 40 Anwältinnen und Anwälten zu den TOP 50 Kanzleien in Deutschland. Die Beratungspraxis umfasst sämtliche Bereiche des Wirtschaftsrechts. Dies gilt insbesondere auch für das Vergabe- und Kartellrecht.